Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 25. März 1923

Rüstet Deutschland heimlich wieder auf?

                 Heimliche Rüstungen.
            Was Poincare alles weiß …

     Den wißbegierigen Pressevertretern, die sich
ihre politischen Neuigkeiten im französischen Au-
ßenministerium am Quai d’Orsay zu Paris holen
wurde dieser Tage zugeflüstert, Poincare werde
auf der nächsten interalliierten Konferenz die
Aufmerksamkeit der Verbündeten auf die heim-
lichen deutschen Rüstungen hinlenken. Er werde
dabei besonders betonen, daß Deutschland jeder-
zeit in der Lage sei, 30 Divisionen aufzustellen.
Diese Enthüllungen werden den dritten Versuch
der französischen Regierung darstellen, den Ruhr-
einmarsch zu benutzen, um das Gespenst der deut-
schen Revanche an die Wand zu malen. Den
ersten Vorstoß unternahm Kriegsminister Magi-
not Anfang dieses Jahres. Er behauptete im
Senat (um die Dienstzeit von 18 Monaten zu
begründen), Deutschland halte noch viele Ma-
schinen zur Herstellung von Kriegsmaterial ver-
borgen, außerdem lasse es die Waffen im Aus-
land herstellen; die rechtsrheinischen Eisenbahnen
seien „glänzend“ für die Konzentrierung von
Truppen geeignet; die 100 000 Mann der Reichs-
wehr stellten Kadres für 21 Divisionen dar. Da-
zu komme die Schupo, die eine richtige Armee
sei wie man im Ruhrgebiet gesehen habe, und
endlich das heimliche Heer der Selbstschutzorga-
nisationen, die, wie der Minister andeutete, von
dem neuerstandenen deutschen Generalstab, einer
angeblich wiedererrichteten „Heeresleitung“ aus-
gebildet und bewaffnet würden. Diese blühenden
Phantasiegebilde stammten, wie sich schnell her-
ausstellte, aus den Sensationsartikeln des ei-
genartigen „Schriftstellers“ Walter Oehme, den
ja unterdessen sein Schicksal ereilt hat, und aus
der ebenfalls von Oehme stammenden „Denunzia-
tion“ der kommunistischen Roten Fahne, die dem
General Seeckt, dem Befehlshaber der Reichs-
armee unterstellte, er betreibe die Bewaffnung der
geheimen Selbstschutzorganisationen, um sie zur
plötzlichen Vervielfältigung der Reichswehr her-
anzuziehen. Reichswehrminister Geßler konnte
im Reichstage volle Aufklärung über alle diese
Angaben geben, und der Herr Maginot, der ja seine
Propagandarede für die Dienstzeit „weg hatte“
gab sich zufrieden. Aber schon war der zweite
Pfeil abgeschossen. Der französische General-
konsul und Chef des neuen französischen Propa-
gandabüros in Newyork Liebert, behauptet in
einer Rede im Lions-Club, die französischen
Truppen in den großen Werken von Krupp,
Stinnes und anderen hätten klare Beweise dafür
gefunden, daß für einen neuen Krieg gearbeitet

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