Quelle: Stadtarchiv Euskirchen, Euskirchener Zeitung vom 07.08.1923
Bericht über die steigende Zahl von Selbstmorden aufgrund durch Geldentwertung entstandener wirtschaftlicher Not.
– Selbstmorde aus wirtschaftlicher Not. Das aller-
traurigste Kapitel in der Geschichte unserer Geldent-
wertung sind die Selbstmorde aus wirtschaftlicher Not.
Die Statistik, die darüber geführt wird, ist leider nur
sehr unvollständig, da es unzählige Gründe gibt, die
wahren Ursachen der Selbstmorde aus wirtschaftlicher
Not zu verheimlichen oder wenigstens zu verschleiern.
Aber abgesehen von diesen nicht zu gering anzuschla-
genden Fällen, ist die Zahl der Selbstmörder, bei denen
die wirtschaftliche Not völlig zweifelsfrei festgestellt
wurde, außerordentlich groß und wächst von Jahr zu
Jahr. Im preußischen Staat wurden schon 1920 nicht
weniger denn 129 solcher Selbstmörder gezählt, und
zwar 99 männliche und 30 weibliche. 1921 betrug die
Zahl bereits 245, und zwar 202 männliche und 43 weib-
liche. 1922 aber weißt in den ersten drei Vierteljahren
schon 278 solcher Selbstmörder auf und zwar 203 männ-
liche und 72 weibliche. Wenn die Zahlen für 1922 voll-
ständig vorliegen, dann werden sie sicher die dreifache
Höhe des Jahres 1920 erreichen. In der Hauptsache sind
diese Selbstmörder Rentner, Privatleute, Rentenem-
pfänger, Invaliden oder sonstige mittellose alten
Leute. Nicht gering darunter ist die Zahl der Leute,
die von den Kapitalerträgnissen eines früher ausrei-
chenden Vermögens lebten und nun bei der Geldent-
wertung nicht mehr aus und ein wußten.