Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, A 294 „Protokollbuch Finanzkommission“ 1919-1926, S. 170-174
Die Troisdorfer Finanzkommission berät und beschließt über die verordnete Neuregelung der Gewerbesteuer sowie die künftige Erhebung der Gemeindesteuern und -gebühren auf Goldbasis. Anträge des Erwerbslosenrats, unter anderem auf verbilligte Schuhwaren und Brennmaterial, sollen am Folgetag im Kreishaus gesondert behandelt werden. Des Weiteren empfiehlt die Kommission dem Gemeinderat, Bedürftigen – nach Prüfung ihrer Bedürftigkeit – auch im nächsten Jahr unentgeltlich Naturalien abzugeben.
Verhandelt,
Troisdorf, den 27. Dezember 1923.
Anwesend
Dr. Mannstädt
als Vorsitzender
Georg
Kutzner
Schneider
Schüller
Schüthuth
In der heutigen Sitzung der
Finanzkommission waren die
nebenbezeichneten Mitglieder
anwesend, welche um über die
nachstehende Tagesordnung
zu beraten und Beschluß zu
fassen:
1.) Beschlußfassung über die Aus-
führung der Verordnung über die
vorläufige Neuregelung der Gewerbe-
steuer vom 23. November 1923 (G.S.S.519)
2) Erhebung der Gemeindesteuern
und der Gebühren und Beiträge
auf Goldbasis.
3) Antrag des Erwerbslosenrates
a) auf Abgabe von verbilligten
Schuhwaren an die Erwerbslosen,
b) auf Abgabe von verbilligten
Briketts,
c) Unentgeltliche oder verbilligte
Speisung von Familien mit 4 und
mehr Kindern unter 16 Jahren an
der Volksküche.
d) Uebernahme von 10% Kosten für Arznei-
mitteln, welche bisher von den Erwerbs-
losen getragen wurden, auf die Gemeinde.
4.) Abgabe von Lebensmitteln,
Brennmaterial pp., an die bedürf-
tigen Witwen und Waisen, Sozial-
und Kleinrentner.
5) Abstellung der in den Räumen
der Gemeindekasse vorgefundenen
baulichen Mängel.
Beigeordneter Dr. Mannstädt
eröffnete die Sitzung.
Zu 1
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Finanzkommission nahm Kenntnis von dem
Erlaß des Herrn Finanzministers zugleich
im Namen des Ministers des Innern und
des Ministers für Handel und Gewerbe
vom 13. Dezember 1923 (Min. Blatt f.d.i.V.
für 1923 S. 1229 ff.) und beschließt dem Gemeinde-
rate vorzuschlagen:
1.) für das Kalenderjahr 1924 eine Gewerbe-
steuer, nach der Verordnung des Staats-
ministeriums über die vorläufige Neu-
regelung der Gewerbesteuer vom 23. Novem-
ber 1923 (G.S.S.519) zu erheben,
2) an Stelle der Bemessungsgrundlage
des Gewerbekapitals die der Lohnsumme
zu wählen (§4 Abs. 2),
3) von der Festsetzung von Hundertsätzen
wie sie von den Steuergrundbeträgen
erhoben werden sollen, (§41 Abs. 1 und 5)
vorläufig noch abzusehen,
4) von der Heranziehung des Fischfanges
zur Gewerbesteuer (§42) abzusehen,
5) Die Beschlußfassung darüber, ob
eine verschiedene Abstufung der Zuschläge
gemäß §43 vorgenommen werden soll,
vorläufig noch auszusetzen und
6) für die Vorauszahlungen folgende
Fristen vorzuschlagen
a) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März am 15. April
b) (für die Zeit vom) 1. April bis 30. Juni (am) 15. Juli
c) (für die Zeit vom) 1. Juli bis 30. Sept. (am) 15. Okt.
d) (für die Zeit vom) 1. Oktober bis 31. Dez. (am) 15. Jan.
Zu 2
Der Vorsitzender gab Kenntnis von der
Verfügung des Herrn Landrats vom 10. Dezem-
ber
ber 1923 A I Nr. 4554 und dem hierauf
vom Vorsitzende Beigeordneten
Hagen erstatteten vorläufigen Be-
richtes an den Herrn Landrat vom
21. Dezember 1923 bezüglich der Erhebung
der Gemeindesteuern und der Gebühren
und Beiträge auf Goldbasis.
Finanzkommission tritt denm Vorschlag
Darlegungen des Vorsitzenden darin
bei, daß die Erhebung der Gemeinde-
Realsteuern einschl. der Betriebssteuern,
und die Erhebung der Hundesteuern,
nach den bisherigen Umlagebeschlüssen
des Gemeinderates bereits auf Gold-
basis erfolgt. Die Kommission be-
schließt dem Gemeinderate vor-
zuschlagen, den Haushaltsplan für
das Rechnungsjahr 1924 auf Goldbasis
aufstellen zu lassen und bis zum In-
krafttreten des neuen Haushalts-
planes folgende Gebühren auf Gold-
basis zu erheben:
a) die Gebühr für die Erwerbung einer
des Nutzungsrechtes einer eigenen Grab-
stellen, den Gegenwert von 30 Gold-
mark am Zahlungstage
b) Die in der Vorkriegszeit festge-
setzten Anerkenntnisgebühren in
Goldmark
c) die in der Gebührenordnung über
Baupolizeigebühren vom
festgesetzten Prüfungsgebühren
in Goldmark zu erheben.
Der Gegenwert soll nach dem Gold-
umrechnungssatze errechnet werden,
der am Zahlungstage für die Auf-
wertung
wertung von Abgaben, im Sinne der
Verordnung des Staatsministeriums
vom 17. November 1923 (G.S.S.501) gilt.
(Gemeinsamer Erlaß der Herren Min. d. Inn.
und der Fin. vom 15.11.1923 Min. Bl.f.d.i.
V.S.1139). Mit der Anordnung des Finanz-
ministers und des Ministers des
Inneren, ist über den Goldumrechnungs-
satz vom 7. 11. 1923 (Ges. Slg. S. 505) ist be-
stimmt, daß als Goldumrechnungssatz
für die der Landesaufwertungsver-
ordnung unterliegenden Abgaben,
der vom Reichsminister der Finanzen
auf Grund des §2 Abs. 3 der Reichsauf-
wertungsverordnung vom 11./18.10.1923,
für die Reichssteuern festgesetzte
Goldumrechnungssatz gilt.
Zu 3
Finanzkommission sieht von einem
Vorschlage für den Gemeinderat,
über die zur Tagesordnung stehenden,
und die heute mündlich gestellten An-
träge des Erwerbslosenrates ab,
um der morgen Nachmittag statt-
findenden Besprechung im Kreis-
hause, an der Herr Beigeordneter
Dr. Schönen als Vertreter der Gemeinde
teilnehmen soll, nicht vorzugreifen.
Dem Gemeinderate wird empfohlen,
die Beschlüsse des Kreises über die
vorliegenden Anträge des Erwerbs-
losenrates abzuwarten, um dann
in einer am Sonntag Vormittag 10 Uhr
stattfindenden Sitzung des Gemeinde-
rates eine Entscheidung herbeizuführen.
Zu 4
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Finanzkommission empfiehlt dem
Gemeinderate auch über den 31. Dezember
d. Js. hinaus, Mittel zur Verfügung zu
stellen, um den minderbemittelten
Witwen und Waisen, den Sozial- und
Kleinrentnern, Lebensmitteln, Brenn-
material pp. unentgeltlich abgeben
zu können. Hierbei empfiehlt Finanz-
kommission, durch die Verwaltung
und die kommunalen Fürsorgeaus-
schuß Richtlinien ausarbeiten zu lassen,
worin generell festgelegt wird, welchen
bedürftigen Personen die Lebens-
mitteln pp. unentgeltlich abgegeben
werden sollen, und welche bisherigen Unterstützungs-
empfänger mit Vermögen ausgeschlossen
werden sollen bezw. zur Erstattung der
erhaltenen Beträge Naturalien in Goldmark vor-
erst her zu verpflichten sind.
Zu 5
Die Beseitigung der M baulichen Mängel
in der Gemeindekasse, soll soweit die
Dringlichkeit vom Gemeindebauamte
anerkannt wird, sofort vorgenommen,
vorerst aber ein Kostenanschlag eine
gez vom Bauamte aufgestellt werden.
Finanzkommission bezeichnete die in
der Zusammenstellung des Gemeinde-
bauamtes vom 4.10.1923 angegebenen
Mängel besonders, deren sofortige Be-
seitigung wenn dringlich in Frage kommt.
V. g. u.
Kutzner Schneider Georg
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Stadtarchiv Troisdorf (27. Dezember 2023). 27. Dezember 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 2. November 2024 von https://doi.org/10.58079/vf9e