23. Dezember 1923

Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 23. Dezember 1923

Fraglich sei, ob es dem Reich gelingen werde, die notwendigen Steuern zum Ausgleich des Etats aufzubringen. Die Kreditanfrage des Reichsfinanzministers an die Rentenbank wurde abgelehnt – was weiteres Vertrauen in die Unabhängigkeit der Rentenmark schaffen werde. Eine allmähliche Erholung der Wirtschaft sei zu beobachten; die Normalisierung von Arbeits- und Börsenmarkt werde hoffentlich folgen.

              Handels-Wochenschau.
      Von unserem Berliner Handels-Mitarbeiter.

   Im Mittelpunk der wirtschaftlichen Erör-
terungen, steht jetzt die Frage, ob es dem Reiche
gelingen wird, die nötigen Steuern aufzubringen,
die zum Ausgleich des Etats notwendig sind.
Man glaubt davon ein Urteil über die Finanzlage
des Reiches ableiten zu können. Und aus der
Finanzlage des Reiches wiederum läßt sich ja
auch die Stabilisierung der deutschen Währung
beurteilen. Bisher hat man zwei seltene Erschei-
nungen gesehen, die bisher in der Finanzpolitik
ein Unding waren: Während auf der einen Seite
sich das Reich in der größten Not sah, gelang
es auf der anderen Seite eine Währung in der
Rentenmark zu schaffen, die mit voller Deckung
Goldwert besitzt. Freilich war das nur möglich,
weil die Rentenbank unabhängig vom Reiche ge-
macht wurde, nur eine begrenzte Kreditverpflich-
tung dem Reiche gegenüber hatte und jede In-
flationsmöglichkeit abzuwehren vermochte. So


hat denn auch die Rentenbank das Ersuchen des
Reichsfinanzministers um einen kurzfristigen Kre-
dit rundweg abgelehnt, allein mit dem Hinweise,
die Erhaltung der Rentenmark gehe über das
Finanzinteresse des Reiches. In der Renten-
mark vereinigen sich – richtig gesehen – die
Interessen des ganzen Landes, jedes Einzelnen,
jedes, der mit einer gesunden Währung rechnen
möchte. Das Reich muß deshalb irgendwo anders
Kredit suchen. Und man wird die Haltung des
Rentenbank nur billigen können. Durch diese
erste Abwehr einer Inflationsmöglichkeit hat sie
wahrscheinlich alle noch umlaufenden Gerüchte
über die Unsicherheit der Rentenmark beseitigt.
Das Vertrauen zu diesem Zahlungsmittel wächst
übrigens von Tag zu Tag. Und je mehr die
Rentenmark in den Verkehr eindringt, um so
auffälliger verschwindet die Papiermark, von der
nur noch kleine Reste überhaupt sich im Verkehr
zu befinden scheinen. Der Währungskommissar
hat richtig gehandelt, als er ohne besondere Be-
tonung eine Relation zwischen Rentenmark und
Papiermark schuf. Das Reich wird seine Papier-
markschulden für einen geringen Betrag los und
kann, dieser Schulden lediglich, nach Auslands-
krediten Umschau halten. Man hat die Tätigkeit
des Währungskommissars erst in der letzten Zeit
recht gewürdigt, und man begrüßt es, daß Dr.
Schacht der Nachfolger Havensteins geworden ist.
Das Vertrauen zu ihm ist groß. Man glaubt,
es werde ihm auch gelingen, die angestrebte Gold-
währung, die Goldbank mit den Goldnoten zu
schaffen, die zunächst die Papiermark im Devisen-
verkehr ablösen soll. Jedenfalls sind die Ver-
handlungen mit in- und ausländischem Kapital
im Gange, sodaß schon in allernächster Zeit sich
bestimmtes darüber sagen läßt. Nicht ohne In-
teresse ist es, zu beobachten, wie die allmähliche
Gesundung der Verhältnisse sich im Wirtschafts-
leben ausdrückt. Merklich zeigt sich eine Besse-
rung, eine Belebung des Inlandsmarktes, die
Erweiterung des Inlandabsatzes und die Hebung
der Kaufkraft im Innern. Freilich herrscht noch
in vielen Zweigen Geldmangel. Und die Folge
davon ist, daß einstweilen Lagerbestände ausver-
kauft werden, teilweise sogar zu einem Preis
der unter dem Herstellungspreise liegt. Das ist
hauptsächlich bei Textilien der Fall. Sobald die
Bestände, die zumeist für den Export bestimmt
waren, aber den Auslandsmarkt verschlossen fan-
den, vergriffen sein werden, wird die Produk-
tion von neuem einsetzen müssen. Was wiederum
die Beseitigung eines Teiles der Arbeitslosigkeit
zur Folge haben wird. Wenn auch die Steuer-
lasten zunächst, namentlich an der Börse großen
Schrecken verursachen, so glaubt man doch, sie
werden zu tragen sein. Selbstverständlich wird
überall, wo noch keine besondere Belebung des
Geschäftes erreicht wurde, die Substanz angegrif-
fen werden müssen. Auch die Industrie braucht
deshalb Kapital, was man durchaus ersieht, daß
heute noch Kapitalerhöhungen von den einzelnen
Aktiengesellschaften vorgenommen werden. In-
zwischen zeigt sich an der Börse das seltene Bild,
daß die Devisen noch immer nicht voll zugeteilt
werden, während im täglichen Geschäftsverkehr
so zahlreiche Devisen umlaufen, daß man än-
nehmen könnte, die Reichsbank müsse genug be-
sitzen, um volle Zuteilungen zu machen. Das
mag auch der Fall sein, aber wahrscheinlich soll
ein bestimmter Devisenfonds geschaffen werden,
ehe volle Zuteilungen erfolgen. Möglich auch, daß
die Devisen für die neue Goldnotenbank gebraucht
werden. Die Devisen namentlich aus Privat-
besitz sind sämtlich gelockert. Man hat kein In-
teresse mehr, sie zu halten, denn mit Devisen kann
man, bei der Stabilität der Rentenmark nur
verlieren. Der Effektenmarkt liegt ruhig, einmal
weil – wie gesagt – Geldmangel herrscht, so-
dann weil die bisherige Unsicherheit, die Speku-
lation noch zur Zurückhaltung mahnte. Aber
im neuen Jahre wird sich hier wohl ebenfalls
die Neueinstellung vollziehen, der Kurs dem Gold-
niveau anpassen.

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Stadtarchiv Troisdorf (23. Dezember 2023). 23. Dezember 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 10. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/vf9b


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