Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 20. November 1923

Reichsregierung, Ministerpräsidenten und Vertreter der besetzten Gebiete berieten über die Neuregelung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Rhein- und Ruhrgebiet. Es gelte, eine gewisse Autonomie in finanziellen Fragen herzustellen, ohne dass das Reich politische Rechte in den Gebieten abtrete oder gar auf die Loslösung des Rheinlandes abziele.

                      Die rheinische Frage.

   Berlin, 18. Nov. Heute vormittag fand in
der Reichskanzlei eine Besprechung zwischen der
Reichsregierung, den Ministerpräsidenten und Ver-
tretern derjenigen Länder statt, wovon Teile unter
der Okkupation stehen, über die Fragen des besetzten
Gebietes. Die Besprechungen wurden heute nach-
mittag unter Hinzuziehung von Vertretern aus dem
besetzten Gebiet fortgesetzt, fanden aber noch nicht
einen endgültigen Abschluß, da einige Punkte noch der
Klärung bedürfen.

Mtb. Berlin, 17. Nov. Ueber die heutigen
Besprechungen des Reichskabinettes über die Rhein-
und Ruhrfrage will das Acht-Uhr-Abendblatt er-
fahren haben, die Regierung stehe auf dem Stand-
punkt, daß es unerläßlich sei, so schnell wie möglich
eine Neuregelung der wirtschaftlichen Verhältnisse
im Rhein- und Ruhrgebiet zu erreichen, um dort
das Chaos zu verhüten. Die Reichsregierung lehne
es aber selbstverständlich nach wie vor ab, auch nur
in eine Diskussion über die Loslösung des Rhein-
landes vom Reiche einzutreten; die politische Gestal-
tung des Rheinlands habe allein von verfassungs-
rechtlichen Gesichtspunkten aus erfolgen. Das Blatt
will weiter erfahren haben, die Reichsregierung habe
beschlossen, ein Wirtschaftsdirektorium für das Rhein-
land zu schaffen, das unter vollster Wahrung der
deutschen Souveränitätsrechte in gewissen finanziel-
len und wirtschaftlichen Fragen jedoch eine sozusa-
gen bundesstaatliche Autonomie haben soll. Diese
erhöhte Selbständigkeit soll sich aber nicht auf poli-
tisches Gebiet erstrecken.

Mtb. Berlin, 17. Nov. Wie ein Abendblatt
meldet, soll bei den Besprechungen des Reichskabi-
netts mit den Ministerpräsidenten der Länder über
die Regelung der wirtschaftspolitischen Beziehungen
der besetzten Gebiete zum unbesetzten Gebiet der Plan
aufgetaucht sein, die nötigen Mittel für die besetzten
Gebiete und vor allem für die Erwerbslosenunter-
stützungen, durch großzügige Hilfsorganisationen und
dadurch aufzubringen, daß in den Gemeinden und
Kreisen der besetzten Gebiete Zweckverbände gebil-
det werden, die unter Aenderung der Reichsfinanz-
ordnung das Recht der eigenen Steuererhebung erhal-
ten und mit den so einfließenden Mitteln der größte
Teil der sozialen Lasten der besetzten Gebiete über-
nehmen können. Bei Durchführung dieses Planes
würden die wirtschaftspolitischen Organisationen zwi-
schen dem Reich und den besetzten Gebieten unnötig
sein und es würde die Gefahr der Aenderung der
staatsrechtlichen des Reiches und der Länder zu den
besetzten Gebiete vermieden werden.