Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 13. November 1923

Adolf Hitler sei ein politischer Hochstapler, der durch seine Redegewandtheit das Publikum einzufangen wisse. Dass er im Zuge des Hitlerputsches am 9. November den Posten des Reichskanzlers für sich anvisierte, wirke lächerlich. Doch der Putsch lasse auch vermuten, dass man diesen Mann mit seinen antisemitischen und revolutionären Reden in München zu lange habe gewähren lassen.

                         Adolf Hitler.
            Der Mann und sein Geist.

   Ein in Berlin weilender Bayer erzählt uns:
Die kritischen Bemerkungen eines Berliner Mit-
tagblattes über den Hitlerputsch, denen man sich
im übrigen durchaus nicht voll und ganz anzu-
schließen braucht, deuten einen Gedanken an, der
wohl schon manchem gekommen ist, der Ge-
legenheit hatte, Münchener Hitlerversammlungen
beizuwohnen. Der Gedanke lautet, kurz aus-
angedrückt: Dieser Adolf Hitler, 34 Jahre alt,
kleiner Dekorationsmaler aus dem Oesterreichi-
schen, im Kriege Ordonnanzsoldat, halbgebildet
und zungenfertig, ist im Grunde ein – Hoch-
stapler, natürlich kein krimineller, sondern ein
politischer im Sinne des Anormalen, des seelisch
Krankhaften. Ein ehrgeiziger Autodiktat, der
sich an seiner angeborenen Beredsamkeit in unge-
heurer Selbsttäuschung berauscht, der die Urteils-
losen mitreißt und den gewisse kluge Leute, ob-
wohl sie ihn durchschaut haben, doch umschmei-
cheln in der Hoffnung, durch diesen Abenteurer
an das Ziel ihrer Wünsche zu gelangen, um
dann den Mohren, wenn er seine Schuldigkeit ge-
tan hat, abzustoßen.

Adolf Hitler, der sich selbst zum Reichskanz-
ler „vorschlägt“, wie man in Volksversammlun-
gen ein Präsidium empfiehlt, wer lacht da nicht?
Hitler hätte es auf einer weniger politischen Lauf-
bahn zweifellos zum Konferenzier eines guten
Kabaretts gebracht. Dazu befähigt ihn alles,
was er an äußeren und inneren Reizen besitzt:
Mittelgroße schlanke Figur mit einem nicht un-
sympathischen Allerweltsgesicht, glatter geölter
Scheitel, verkürzter dicker Schnurrbart a la
Chaplin, angenehmes, leicht österreichisch anklin-
gendes Organ. Und dazu eben diese Redefertig-
keit, dieser gewandte Plauderton, der jeden be-
sticht, der gekommen ist, sich mal „etwas vor-
machen zu lassen.“ Hitler spricht nie, das sei aus-
drücklich zugegeben, übliche hohle Phrasen. Er
tritt zunächst ganz bescheiden und einfach auf,
lehnt sich „leger und kommod“ an das Redner-
pult oder turnt an einem Stuhl herum und er
spricht auch viel mit den Händen: „Verehrte
Zuhörer! Vor fünf Jahren hat es in ganz
Deutschland nur ein Gesprächsthema gegeben. In
allen Cafes, in allen Restaurants, in den Fami-
lien, auf Reisen und überall. Man hat von
nichts anderem gesprochen und geschrieben, als
von den Errungenschaften der Revolution. Wie
eine Errungenschaft bei näherem Zusehen etwas
von ihrem Glanz verlor, beleuchtete man sie
von einer anderen Seite, um ihr einen neuen Reiz
abzusehen und eine gute Seite an ihr zu entdecken
…“ Drollige Handbewegungen begleiten diese
Worte, um das Beleuchten von verschiedenen
Seiten anschaulich zu machen. Dann kommt
der Clou. „Na so allmählich (gemütlicher Ton-
fall) flaute das Interesse an diesem Gesprächs-
thema ab. Eine Errungenschaft der Revolution
nach der anderen geriet in Vergessenheit. Bis auf
eine. Und von der wird gerade in letzter Zeit
wieder sehr viel gesprochen, in Cafes, in Re-
staurants, in den Familien auf Reisen, immer und
überall. Diese Errungenschaft ist – die
Teuerung!“

Tableau. Spöttisches Gelächter. Tobender
Beifall. Der Konferenzier hat sein Publikum
gefangen. Was dann folgt, ist nicht etwa po-
litischer Geist und historischer Tiefsinn, sondern
witzig-ironische Betrachtungen über die traurige
Zeit und, was in jeder aufgeregten Versammlung
zieht: prickelnder Antisemitismus, Ablenkung des
Zornes auf die – Juden, die an allem schuld
seien. Nicht durch allgemein menschliche Kurz-
sichtigkeit und Unverstand haben die bishe-
rigen Reichsregierungen Deutschland in den Ab-
grund geführt, sondern es handle sich um einen
teuflischen Plan der internationalen Judenschaft,
der Werkzeuge aller deutschen Staatsmänner der
nachbismarckschen Periode seien. Eingeschlossen
das Kabinett Stresemann. Hat doch auch der
Stabsoffizier der Hitlertruppen, der am Don-
nerstag Abend die Kahrversammlung im Bür-
gerbräukeller überraschte, das Publikum mit der
Erklärung zu beruhigen versucht: Heute beginnt
die nationale Revolution. Sie richtete sich aus-
schließlich und allein gegen die Berliner Juden-
regierung.“

Das war ganz im Geiste Hitlers, der ja
auch einmal einem amerikanischen Zeitungsmanne
die Weisheit verzapft hat: „Jesus war ein Ger-
mane, – Papst Alexander, Kaiser Wilhelm II.
König Eduard VII. waren Juden.“ Das impo-
niert, wenn man sich nichts dabei denkt. Aber
es bringt einen doch auch auf die Vermutung,
daß die führenden Staatsmänner in Bayern all-
zulange einen kranken und ungefestigten Geist
mit Revolvern und Putschabsichten spielen leßen.