Quelle: Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend (Amtliches Kreisblatt) vom 17. November 1923

Hitler-Putsch in München

München, 11. Nov. Die Lage in München
bleibt nach wie vor gespannt, und die Erregung,
Die sich hauptsächlich gegen Kahr und v. Lossow
richtet, dauert unvermindert an. In der Nacht
zum Sonntag zogen wiederholt Demonstranten
durch einzelne Straßen, welche wiederholt von der
Polizei mit Gummiknüppeln und blankgezo_
genen Säbel gesäubert werden mussten, wobei
eine erheblich Anzahl Personen mehr oder minder
schwer verletzt wurden. Heute gleicht ganz Mün-
chen einem Kriegslager. Die ganze Stadt durch-
ziehen Reichswehrpatrouillen mit Stahlhelm und
aufgepflanztem Bajonett. Die Bahnhöfe, das

Telegraphenamt, sowie das ganze Regierungs-
viertel sind durch Reichswehr und Schutzpolizei
abgesperrt. Alle öffentlichen Gebäude haben mili-
tärische Bedeckung erhalten. Die Umgebung der
Residenz ist mit spanischen Reitern abgesperrt.
An den wichtigsten Punkten der Stadt sind Ma-
schinengewehre zur Aufstellung gekommen. In
den außerhalb der abgesperrten Zone liegenden
Straßen ist der Verkehr äußerst belebt. Die wil-
desten Gerüchte werden in der Stadt verbreitet.
Allgemein wird davon gesprochen, daß Hiter im
Anmarsch auf München sei. Dies dürfte aber
keineswegs zutreffen. Auch das Gerücht, daß
Ludendorff sich erschossen hat, bestätigt sich nicht.
Der bayerische Ministerialrat hat gestern und heute
in langen Beratungen zu der bedrohlichen Ent-
wicklung der Lage Stellung genommen. Ent-
scheidende Beschlüsse sind bis zum Augenblick noch
nicht gefaßt worden.