Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 9. November 1923

Paul Tirard, Präsident der Interalliierten Rheinlandkommission, erkläre sich laut Zeitungsberichten dazu bereit, sich anstelle einer Loslösung des Rheinlands vom Deutschen Reich mit der Errichtung einer rheinischen Republik innerhalb des Reichs zu begnügen.

                      Rheinlandpläne.

Mtb. Köln, 6. Nov. Die KZ. teilt mit,
daß Tirard sich in Unterredungen, zu denen
er nicht die von den Rheinländern selbst ge-
wünschte Abordnung aus dem Wirtschaftsaus-
schuß für das besetzte Gebiet und aus den poli-
tischen Parteien, sondern einzelne Herren zu sich
entbiete, nunmehr schon großmütig bereit erkläre,
auf eine Loslösung des Rheinlandes vom Reich
zu verzichten und sich mit einer rheinischen Re-
publik im Rahmen des Reichs zu begnügen. Die-
se rheinische Republik habe aber nicht dieselbe
Stellung wie die übrigen Bundesstaaten, denn
sie habe eine eigene Zollgrenze, eine eigene Wäh-
rung. Die Eisenbahnen blieben in fremder Regie.
Die Besatzung bleibe weiter, desgleichen die
Rheinlandkommission. Dafür würde die
Rheinische Republik eine eigene diplomatische Ver-
tretung in Paris haben. Was die Notenbank für
das besetzte Gebiet anbelange, so werde bei einer
Beteiligung von 55 Prozent deutschem, 30 Pro-
zent französischem und 15 Prozent internatio-
nalem Kapitals Frankreich den Posten eines
Vizepräsidenten in der Verwaltung dieser Bank
beanspruchen. Darum verweigere die französische
Regierung die Antwort auf das Bemühen der
deutschen Regierung, die Rentenmarkscheine auch
im besetzten Gebiet zur Geltung zu bringen.
Tirard betreibe seine Pläne lediglich als Ver-
treter Frankreichs, ohne an den Vorsitz der
Rheinlandkommission zu denken und ohne die
anderen Besatzungsmächte zu den Beratungen
heranzuziehen.

Daß die französische Behauptung, die rheini-
sche Bevölkerung arbeite freiwillig an der Ver-
wirklichung dieser Pläne mit, nicht wahr sei,
dafür führt das Blatt mehrere Zeugnisse an, die
auf einer Tagung der Kölner Zentrumspartei ab-
gelegt werden. Dabei führte der Generalsekre-
tär der Partei, Dr. Hamacher, aus, der Reichs-
gedanke sei im Zentrum und am Rhein nie so
stark gewesen wie jetzt, Frankreich solle sich
vor der Aufrichtung einer Fremdherrschaft am
Rhein hüten. Der Abgeordnete Schwering wies
darauf hin, daß bei der zielbewußt auf die Zer-
trümmerung des Reiches hinarbeitenden französi-
schen Politik der Gedanke der Errichtung einer
Rheinischen Republik undiskutierbarer sei denn
je. Im Namen der christlich-nationalen Arbei-
terschaft des besetzten Gebietes erklärte Sekretär
Albers, daß sie sich jeder Aenderung des staats-
rechtlichen Verhältnisses des Rheinlandes, von
welcher Seite sie auch kommen möge, mit aller
Entschiedenheit widersetzen werde.