4. November 1923

Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 4. November 1923

Drei Minister der SPD sind aus dem Reichskabinett ausgeschieden.

                  Abberufung
der sozialdemokratischen Minister.

   Mtb. Berlin, 2. Nov. Um 5:30 Uhr nach-
mittags beschloß die sozialdemokratische Reichs-
tagsfraktion mit allen gegen 19 Stimmen die Ab-
berufung der sozialdemokratischen Minister aus
dem Reichskabinett.

Mtb. Berlin, 2. Nov. Die drei sozial-
demokratischen Minister Sollmann, Robert
Schmidt und Dr. Radbruch begaben sich unmittel-
bar nach der sozialdemokratischen Fraktionssit-
zung zum Reichskanzler, um ihm den Frak-
tionsbeschluß zu übermitteln und ihren Austritt
zu erklären. Im Anschluß daran fand eine Sit-
zung des Rumpfkabinettes statt. Der Reichs-
kanzler wird mit dem Rumpfkabinett zunächst die
Regierungsgeschäfte weiterführen. Um 8 Uhr be-
gab sich der Reichskanzler Dr. Stresemann zum
Reichspräsident Ebert.


Mtb. Berlin, 2. Nov. Ueber die Be-
sprechungen zwischen den Führern der Sozialde-
mokratischen Partei und dem Reichskanzler wird
noch bekannt: Der Reichskanzler erklärte heute
nachmittag den Führern der sozialdemokratischen
Reichstagsfraktion, die beim ihr erschienen waren,
um die Bedingung der Fraktion für das Ver-
bleiben der sozialdemokratischen Minister im Ka-
binett darzulegen, den Abg. Wels, Müller-Fran-
ken, Dittmann und Breitscheid, daß diese Forde-
rungen nach Rücksprache mit den bürgerlichen
Parteiführern als unannehmbar anzusehen seien.
Der Reichskanzler begründete die Ablehnung so-
wohl in grundsätzlichen wie sachlichen Gründen.
Als grundsätzlich für die Ablehnung bezeichnete er
es, daß das Kabinett sich nicht dem Vorwurf
aussetzen dürfe, daß es seine Politik auf die
Forderungen einer einzelnen Partei der Koali-
tion festlege und zumal unter marxistischem Druck
gegen Bayern vorgehen könne. Das hieße nur
die innere Krisis noch mehr zu verschärfen. Au-
ßerdem erklärte der Reichskanzler sachlich, die
verlangte Aufhebung des militärischen Ausnah-
mezustandes in diesem Augenblick mit Rücksicht
auf die Ereignisse in Sachsen und Bayern sei
unmöglich. Mit diesem Bescheid traten die Füh-
rer der Sozialdemokraten vor ihre Fraktion, die
dann die Abberufung ihrer Minister beschloß.
Entgegen Ansichten, die in den letzten Tagen
verschiedentlich ausgesprochen wurden, daß näm-
lich das Ende der großen Koalition im Reich
auch in Preußen der großen Koalition ein Ende
gesetzt werde, erfahren wir aus Kreisen, die der
preußischen Regierung nahestehen, daß diese Mei-
nung dort nicht geteilt wird. Jedenfalls sind die
Führer der preußischen Landtagsfraktionen des
Zentrums, der Demokraten und der Sozialde-
mokraten der Meinung, daß eine solche Folge-
rung nicht aus der Aenderung der Regierungs-
verhältnisse zu ziehen sei. Wenn wirklich der
Flügel der Deutschen Volkspartei, der den Fort-
bestand der großen Koalition in Preußen für un-
möglich hält, sich durchsetzen sollte, so wäre als
eine Lösung die kleine Koalition aus Sozialdemo-
kraten, Zentrum und Demokraten möglich.

Kein Rücktritt des Reichskabinetts.

   Mtb. Berlin, 3. Nov. (Drahtmeld.) Nach
Ausscheiden der sozialdemokratischen Minister hat
das Kabinett den Beschluß gefaßt, nicht zurück-
zutreten, sondern im Amte zu bleiben und die frei
gewordenen Ministerposten einstweilig kommissa-
risch durch die bisherigen Mitglieder des Kabi-
netts verwalten zu lassen. Die Deutsche Volks-
partei will sich mit den übrigen bürgerlichen
Parteien in Verbindung setzen, um in Preußen
eine der Reichsregierung entsprechende Regie-
rung herbeizuführen.

Stadtarchiv Troisdorf

Wir verstehen uns gleichermaßen als Ort des kulturellen Gedächtnisses der Stadt, als moderne Dienstleistungseinrichtung sowie als Partner für die regionalen Kultur- und Bildungseinrichtungen. Für weitere Informationen sowie unsere digitalen Angebote (Archivführung, Ausstellung, Blog, Personenstandsregister, Podcast etc.) besuchen Sie unsere Website.

More Posts - Website

Follow Me:
TwitterFacebookYouTube


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Troisdorf (4. November 2023). 4. November 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 8. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/ag3x


Über Stadtarchiv Troisdorf

Wir verstehen uns gleichermaßen als Ort des kulturellen Gedächtnisses der Stadt, als moderne Dienstleistungseinrichtung sowie als Partner für die regionalen Kultur- und Bildungseinrichtungen. Für weitere Informationen sowie unsere digitalen Angebote (Archivführung, Ausstellung, Blog, Personenstandsregister, Podcast etc.) besuchen Sie unsere Website.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.