Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 27. Oktober 1923

Nur eine schnelle Einführung einer Goldwährung kann die Währung retten.

                   Das neue Geld.
      Die Stückelung der Goldanleihe.

   Ein volkswirtschaftlicher Mitarbeiter schreibt
uns: Die Währungsnot hat einen unerträglichen
Grad erreicht. Die Schrecken und Verluste der
Geldentwertung rasen wie Furien durch das Land.
In diesem Augenblick, wo dei Rettung schon
zu spät zu kommen scheint, ist die Regierung
endlich so weit, wertbeständiges Geld in größe-
rem Umfange in den allgemeinen Verkehr zu
bringen. Das neue Geld besteht in der Stücke-
lung der deutschen Goldanleihe. Abschnitte der
Goldanleihe zu 1, 2 und 5 Dollar werden heute
in größerer Zahl ausgegeben. Da aber der ge-
wöhnliche deutsche Verbraucher in seiner grauen-
haften Verarmung – man wird das erst jetzt
deutlich erkennen – mit den stolzen Dollar-
scheinen nichts anfangen kann, geht man in der
Stückelung herunter bis zu Beträgen von einem
halben, einem viertel und einem zehntel Dollar,
also bis 210, und 105 und 42 Goldpfennigen.
So hofft man Geld für Lohnzahlungen an
Arbeitnehmer zu haben.

   Aber die Lohn- und Gehaltsempfänger denken
auch über die Sache nach. Der Vorstand des
Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes hat
eine Abordnung an den Reichskanzler entsandt,
um ihm Forderungen zu unterbreiten, in denen
nicht nur das wertbeständige Geld (und die da-
zu gehörenden Lebensmittel), sondern auch die
„Anpassung der Löhne an die Geldentwertung
ohne Rücksicht auf die bestehenden Tarifver-
träge“ verlangt wird. Das soll heißen: Statt
der Indexziffern und Teuerungszuschläge der bis-
herigen Papiermarkberechnung soll der angepaßte
Lohn maßgebend sein. Verlangt wird der Grund-
lohn in Gold! Und unter dem Grundlohn ver-
stehen weite Schichten der Arbeitnehmer den ein-
stigen Vorkriegslohn, von dem sie in ihren Ge-
danken und Wünschen trotz der allgemeinen Ver-
armung und trotz der wachsenden Arbeitslosig-
keit nicht loskommen. Hier werden soziale
Kämpfe von einer Heftigkeit einsetzen, die man
im Reichsarbeitsministerium wahrscheinlich nicht
erwartet hat.
Auch die freien Berufe, das Kleingewerbe und
der todkranke Mittelstand, soweit er wirtschaft-
lich noch atmet, werden ihre Forderung an das
neue Geld stellen. Sind die Banken, die ihre
Kleinkundschaft zum größten Teil hinausgewor-
fen haben und nur noch mit dem bequemen Groß-
kapital arbeiten wollen, auf den Goldkonten-
Kleinverkehr eingerichtet? Kann man noch in
dieser Woche Goldpfennige und Dollars einzah-
len und abheben? Nehmen die Postschalter das
neue Geld an und geben sie darauf heraus? Alles
Fragen und Hoffnungen, die jetzt wie ein Sturm-
regen auf die Regierung niederprasseln werden
und die sofort in diesen Tagen durch die Tat
beantwortet werden müssen.
Die Stückelung der Goldanleihe ist ein vor-
läufiger Notbehelf und noch nicht einmal die ge-
setzliche Zwischenlösung. Diese erfolgt erst durch
die Rentenmark, die mit Beginn des Novembers
ins Leben treten soll. Dann verfügt die Deut-
sche Wirtschaft über ein ganzes Bukett von Zah-
lungsmitteln: Papiermark, Dollarschätze, Goldan-
leihe und Rentenmark. Wie werden sich diese
vier Zahlungsmittel zueinander verhalten? Wie
wird man sie auseinanderhalten. Die Wertbe-
ständigkeit der drei neuen Zahlungsmittel wird
durch die Papiermark gemessen. Der Wert der
Papiermark wird aber nach wie vor durch den
Devisenkurs bestimmt, und dies ist das große
Loch daß sich in allen Zwischenlösungen befin-
det. Wäre es möglich, den Wert der Papier-
mark auf eine Linie von z.B. 42 Milliarden
für einen Dollar zu bringen und hier festzu-
halten, so wäre das Loch geschlossen. Aber dazu
fehlen dem Reiche die Devisen.
Der bekannte Finanzmann Franz Urbig, Ge-
schäftsinhaber der Diskonto-Gesellschaft, der als
Sachverständiger an den währungspolitischen Be-
ratungen der Regierung teilnahm, hat gelegentlich
einer Ausschußsitzung des Zentralverbandes des
deutschen Bank- und Bankiergewerbes mit un-
angreifbarer Logik nachgewiesen, daß sich die In-
flation im neuen Hilfsgeld fortsetzen wird! Jede
Zwischenlösung „gleicht einem Brett, das man über
einen Sumpf legt; es sinkt, wenn es zu lange
liegt.“ –, Es gibt nur eben eine Rettung: Die
möglichst rasche Einführung einer wirklichen Gold-
währung, die unbezweifelbar im Innern- und un-
angreifbar vom Ausland her ist. Letzteres ist
allerdings ein Problem, das nur durch die hohe
Politik gelöst werden kann. Erst wenn dieser
Tag dämmert, erblüht uns neues wertbeständiges
Geld.                                  Dr. rer. pol. Fritz Auer