Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 9. November 1923
Eindringlicher Appell an die kommunistischen Funktionäre und Mitglieder
Die Aufgaben der KPD.
Die Kommunistische Partei Deutschlands steht vor der Lösung
ihrer geschichtlichen Aufgabe und alle Kraft und alle Mittel müssen
für die Lösung eingesetzt werden. Prüfe sich jeder Kommunist ernst-
lich, ob er alle Kraft aufwendet und prüfe sich vor allem jeder
Funktionär, ob er alle Mittel anwandte, um alle Mitglieder seiner
Ortsgruppe, seiner Betriebszelle, seiner Zehnergruppe zur Erfül-
lung einer der vielen Aufgaben zu bringen, die jetzt Lösung heischen.
Sie sollen und können hier nicht alle aufgezählt, aber eine Notwen-
digkeit muß stark unterstrichen werden.
Je näher das deutsche Proletariat dem Zeitpunkte kommt, wo
sich die reaktionäre Meute mit allen Hilfstruppen auf die Vorder-
reihen der Arbeiterschaft stürzt und von der bewaffneten Faust
des Proletariats niedergeschlagen werden muß, um so mehr muß
alle die politische Arbeit der Kommunisten verstärkt werden, die die
Gewinnung der Sympathie breiter Massen, der Kampfbereitschaft
ihrer besten Teile zum Ziele hat. Die Kommunisten dürfen in
so einem Augenblick und jetzt erst recht nicht darauf verzichten, durch
ihre zähe politische Arbeit möglichst breite Massen in ihre Nähe zu
bringen und zu ihrer Gefolgschaft zu machen. Keine Ueberlastung
mit anderen dringenden Aufgaben entschuldigt Versäumnisse auf
diesem Gebiet.
Haben wir bisher, gestützt auf unsere eben gefestigten Betriebs-
zellen, unsere Arbeit im Betrieb geleistet, Einzelagitation betrieben,
Betriebsversammlungen gut vorbereitet und durchgeführt usw., so
muß jetzt diese Arbeit fieberhaft gesteigert werden. Anknüpfungs-
punkte ergeben sich hundertfach. Wurde bisher und mit gutem
Erfolge versucht, die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen
der Arbeiter zu machen, so müssen jetzt die Betriebszellen und Ge-
werkschaftsfraktionen den letzten Mann emporreißen und zur Teil-
nahme an den Gewerkschaftsversammlungen verpflichten, die jede
ein gut vorbereiteter rüstiger Schrit [sic!] vorwärts zur Gewinnung der
uns noch nicht folgenden organisierten Arbeiter sein muß. Es darf
keine Gewerkschaftsversammlung vorübergehen, ohne daß sie zu den
jetzt brennenden Fragen Stellung genommen hat. Das gleiche gilt,
sinngemäß angewandt, für die Versammlungen aller anderen Or-
ganisationen, in denen wir zu arbeiten verpflichtet sind, mögen es
nun Genossenschaften oder die Organisation der Kriegsbeschädigten,
der Sportvereine, der Mieter, der Rentner oder andere sein. Die
Ausnutzung alle Möglichkeiten ist dringend notwendig.
Selbstverständlich müssen die stärksten Kräfte auf die wichtigsten
Punkte geworfen werden. Eine wichtige Gewerkschaftsversammlung
darf zum Beispiel nicht wegen einer Mieterversammlung vernach-
lässigt werden. In der Mieterversammlung genügen die Genossen,
deren Gewerkschaften an dem Abend keine Versammlung hat. Zu
den wichtigsten Punkten zählen vor allem die Betriebe der Eisen-
bahn, die städtischen Verkehrsbetriebe, Elektrizitätswerke usw. Dort,
vornehmlich bei der Eisenbahn, müssen wir der Bildung und dem
Ausbau der Betriebszellen die sorgfältigste Aufmerksamkeit wid-
men. Die kleinste Betriebszelle, wenn sie mit der örtlichen Leitung
in engster Verbindung steht, wird die größte Bedeutung gewinnen.
Unter anderem muß die Agitation unter den vor und in den Läden
stehenden Frauen wie überhaupt die Straßenagitation organisiert
werden. Der Sieg des Proletariats wird um so sicherer errungen,
je mehr die Kommunisten es verstehen, die millionenschwere Wucht
der Arbeiterklasse in Bewegung zu setzen. Dafür muß jede Stunde
und jede Gelegenheit ausgenutzt werden.
Die Voraussetzung für die schnelle Durchführung der not-
wendigen politischen Arbeit ist die planmäßige Leitung und
Kontrolle.
Jeder Funktionär von der Spitze der Partei bis herunter zur
Zehnergruppe muß verstehen, daß ein großer Teil seiner Arbeit
darin besteht, anzugeben, wie die Arbeit gemacht werden soll, die
Arbeit zu kontrollieren und immer neue Möglichkeiten und Ver-
besserungen für unsere Arbeit aufzuspüren.
Kein Genosse ist für irgendeine Arbeit zu schade. Das Höchst-
maß von Kraft, Entschlossenheit und taktischer Beweglichkeit wird
von den Kommunisten verlangt. Es ist keine Kunst, im programm-
mäßigen, störungslosen Ablauf der Dinge den Kopf oben zu behalten.
Aber die Revolution ist der denkbar höchste Grad von „Unordnung“
und eben darum muß der Kern der revolutionären Masse, die Kom-
munistische Partei, den denkbar höchsten Grad von revolutionärer
Organisiertheit darstellen. Das ist am Tage nach dem Sieg des
Proletariats noch notwendiger als vorher. Nicht den Kopf hängen
und sich die Kraft lähmen lassen, wenn im Betrieb, in der Gewerk-
schaft, am Orte nicht alles wunschgemäß geht oder wenn selbst ört-
lich opferreiche Rückschläge eintreten. Die Einzelerscheinungen im
großen Rahmen begreifen, im unerschütterlichen Vertrauen auf den
Sieg zäh durchhalten und durchstoßen mit aller Kraft: das er-
warten die arbeitenden und leidenden Massen von ihren Führern,
den Kommunisten, die mit den Massen ihre geschichtliche Aufgabe
lösen müssen, das arbeitende Volk Deutschlands vor völliger Ver-
elendung und Versklavung zu retten.
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Stadtarchiv Solingen (9. November 2023). 9. November 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/ag1l