21. April 1923

Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt 21. April 1923

Es ist entschieden: Die Hundebesitzer in Wald müssen nun für ihre Vierbeiner deutlich mehr Steuern zahlen.

                              Aus Stadt und Umgegend.
                                                   Solingen, 21. April.
              „Hundefragen“ im Walder Stadtparlament.
       Wenn die „Hunde aller Rassen“ organisiert wären und sich
demonstrierend in der gestrigen Walder Stadtverordnetensitzung
eingefunden hätten, würde es den Walder Stadtmüttern und
Stadtvätern wohl übel ergangen sein. Man beschäftigte sich
nämlich in den heiligen Hallen des Walder Rathauses so ein-
gehend und zum Teil so wenig schmeichelhaft mit den Kötern,
daß jeder pflicht- und ehrliebende Rassehund oder Bastard wohl
Ursache zum Zorn gegen die „gefühllosen“ Menschen haben kann.
Und dies kam so: Die Hunde jeder Schattierung haben sich in
den Nachkriegsjahren vermehrt. Nicht gerade ganz so stark, als
der Sand am Ufer des Meeres, aber immerhin hat die Familie
der Vierfüßler doch so zugenommen, daß sie sich oft mehr als
nötig bemerkbar macht. Das entgeht sogar einem gewöhnlich
Sterblichen nicht. Wie sollte es einem treusorgenden Stadtober-
haupt und seinen weisen Stadtvätern entgehen, besonders da
man sehr häufig hört, daß die Städte und Gemeinden ebenfalls
im besten Begriffe sind, „auf den Hund“ zu kommen. Nun gibt
es Menschen, denen wenig daran liegt, ob eine Gemeinde auf den
Hund kommt, es gibt aber auch Menschen, die Wert darauf
legen, daß die Hunde zur Gemeinde „kommen“, d. h. Bürger-
rechte erwerben. Man kann aber wohl nur Bürger sein, wenn
man Steuer zahlt. Also müssen die Hunde blechen. Diesen
Standpunkt vertritt wenigstens der als Finanzautorität anzu-
sprechende Walder Bürgermeister. Schnell brachte er deshalb eine
sauber ausgearbeitete Hundesteuervorlage ein, die jeden auf Wal-
der Grund und Boden sich befindenden Köter mit 40 000 Mark
belasten will. Hat der besagte Fox, Griffon oder Terrier noch
Familienangehörige, so sollen diese als Daseinsgebühr jährlich
100 Darlehnskassenscheine zu tausend Mark an den Schalter-
räumen der Walder Stadtkasse abliefern. So wollte es der Bür-
germeister, und so – kam es auch.
       Wie aber der Weg zu jeder Steuer über Hindernisse führt,
so war auch hier die Sache nicht ganz einfach. Die Walder
Stadtväter und -mütter bewiesen in dieser Stunde schwerer Ar-
beit, daß sie auch Gegensätze auf friedliche Weise austragen
können. Seit langer Zeit war man wieder einmal wirklich ge-
mütlich. Man kannte keine Parteien mehr, sondern nur –
Hundefreunde und Hundefeinde. Mit Ernst und Humor (bei
beiden schimmerte aber immer die Sorge von wegen der Pinke-
Pinke durch) versuchten die Hundefreunde ihren Kollegen
von der Anti-Hundefraktion die Tugenden, die so ein Tierchen
besitzt, mundgerecht zu machen. Man bekam die Unentbehrlich-
keit vom Hund des „kleinen Mannes“ zu hören, worauf der
Bürgermeister trocken erklärte, daß Kaninchen, die steuerfrei
sind, für den „kleinen Mann“ (ein Zuhörer meinte Bänkskes-
Wellm) ungleich wertvollere Säugetiere wären. Auch als Wäch-
ter soll der Hund höher als das Auge des Gesetzes zu bewerten
sein, da sich bei der Walder Polizei besonders nachts Anzeichen
von Schlafkrankheit bemerkbar machten. So behauptete wenig-
stens ein Stadtvater, wurde natürlich dafür vom Bürger-
meister zurechtgestaucht, der nie etwas von Schlaf bei seinen Po-
lizei-Betriebsassistenten bemerkt hat. Auch sonst ließen die
Dobermann- und Schlieffreunde (lies Hundebesitzer) nichts un-
versucht, um die Lichtseiten ihrer Lieblinge in den hellsten Far-
ben zu malen. Die Hundegegner betonten, daß die viel-
gepriesenen Köter auch Untugenden haben können, die sich mehr
als notwendig bemerkbar machten, ja sogar zur Plage werden
könnten. Außerdem seien gerade Hunde manchmal Millionen-
objekte, die sich lohnen zu besteuern. Bei diesen Gegenerklärun-
gen wurden mehrere Schlieffreunde blaß, – – es sollen Jagd-
hundbesitzer gewesen sein. Von einem Ittertaler Züchterverein
war eine geharnischte Protesterklärung eingegangen, die Besteu-
rung nach Rassenreinheit (Hört! Hört!) verlangte. Da diese
Reinheit aber erst durch einen Sachverständigen festgestellt wer-
den muß, was mitunter sehr schwierig sein soll, war die Behand-
lung dieser Frage unmöglich.
       Als man abstimmte und die Hundeliebhaber mit 11 : 14
Stimmen in der Minderheit blieben, sah man ein zufriedenes
Gesicht des Bürgermeisters, verdrießliche Mienen der Dober-
mannfreunde und hörte „Heiterkeit“ im Hause.
       An der Rathaustreppe schnupperte um diese Zeit ein
Bastard. Anscheinend war es Kreuzung von Fox und Ratten-
fänger. Er schien auf jemand zu warten. Neben Aerger und
Beleidigung leuchtete aus seinen Augen etwas wie Stolz, denn
mit 40 000.– Mark Steuern bewertet zu werden, muß selbst
die Brust eines Hundeviehs anschwellen lassen.
       Sonst gab es wenig Neues. Wichtige Vorlagen über die
Bautätigkeit wurden zurückgezogen. Man scheint auch hier auf
den Hund“ gekommen zu sein!                                             Sch.
                                                             –

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Stadtarchiv Solingen: RK (21. April 2023). 21. April 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 8. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/ae49