Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 12. September 1923
Eine neue Währung könne zu jenem Zeitpunkt nur eine Parallelwährung zur „Papiermark“ darstellen, nicht aber eigenständig bestehen. Sie sei für die vielfachen Probleme keine Lösung, könne aber die Wirtschaftslage stabilisieren helfen.
Die neue Währung.
Von unserm Berliner k-Mitarbeiter.
„Geld ist ein allgemein beliebtes Tauschgut,
welches die Funktionen sowohl eines Wertmaß-
stabes wie die eines Tausch-, Zahlungs- und
Wertaufbewahrungsmittels vorsieht. Aus die-
ser allgemein anerkannten Definition ist unschwer
zu ersehen, daß die Papiermark die Funktion
des Geldes nicht mehr erfüllt. Daß sie sich
allgemeiner Beliebtheit erfreut, wird niemand be-
haupten wollen, als Wertmaßstab ist sie längst
durch den Dollar ersetzt worden, und was die
Wertaufbewahrung betrifft, so sucht vielmehr je-
der die Papiermark so schnell als möglich in
beliebtere Tauschgüter umzusetzen, ob es nun Wa-
ren, Effekten oder aber Devisen sind, deren
schwunghafter Handel ja nunmehr unterbunden
werden soll. Hoffentlich wird!
Also die Papiermark hat im Grunde ausge-
litten, und es wird eigentlich nur noch der An-
schein aufrecht erhalten, als ob sie Währungsgeld
sei. Denn nicht nur der Produzent und der Groß-
händler, sondern auch der Detaillist rechnen in
Wahrheit nach dem Dollar und letzten Endes
sind auch die Indexziffern mehr oder weniger
verschleierte Dollarumrechnungen: weil sich ja
eben die Preise nach dem Dollar richten. Das
Verlangen nach einer wertbeständigen Währung
ist deshalb allgemein, aber die finanzielle und
wirtschaftliche Lage in Deutschland ist derart, daß
wenn heute, wie es naive Gemüter verlangen,
eine neue Währung dekretiert würde, sie in nicht
allzulanger Zeit auf das Papiermarkniveäu ge-
drückt würde, denn das ungeheure Uebergewicht
der Staatsausgaben über die Einnahmen, das
vor allem durch die Subventionierung der Ruhr-
abwehr bedingt ist, und die dadurch hervorgeru-
fene Inflation machen fürs erste jede Stabilisie-
rung der Valuta zu einer Unmöglichkeit. Und
so will man sich denn, muß man sich zunächst
mit einem Währungsersatz begnügen.
Mehr soll und kann die in Vorbereitung be-
findliche „neue Währung“ nicht bedeuten, die als
wertbeständige Parallelwährung neben der zu-
nächst noch auf dem Pavier stehenbleibenden Pa-
piermarkwährung gedacht ist. Bei den nunmehr
fertiggestellten Grundzügen eines Entwurfes für
die neue Währung hat man die Vorschläge des
Reichsverbandes der deutschen Industrie und die
des Reichstagsabgeordneten Dr. Helfferich mit
einander verschmolzen, wobei jedoch der erstere
ausschlaggebend geblieben ist. Es soll danach,
da das deutsche Reich bis auf weiteres angesichts
seiner Finanzlage nicht als Träger einer wertbe-
ständigen Währung gelten kann, eine Goldnoten-
bank privater Natur begründet werden, die den
großen Apparat der Reichsbank mitbenutzen soll.
Die Goldnotenemission soll gestützt werden, auf
dingliche Verpflichtungen der Erwerbsstände, vor
allem der Landwirtschaft und der Industrie, und
zwar durch hypothekarische Belastung des land-
wirtschaftlichen Grundbesitzes und hypothekarische
Sicherheiten, bezw. Bürgschaftsverpflichtung
durch Schuldverschreibungen seitens der Industrie.
Endlich soll der Währungsbank ein Münzfond
in Form von Devisen oder sonstigen Goldwer-
ten zur Verfügung gestellt werden. Hier soll die
neue Devisenerfassung eingreifen, die übrigens
keineswegs, wie das vielfach irrtümlich angenom-
men wird, eine allgemeine Devisenbeschlagnahme
darstellt. Ueberhaupt hat die neue Devisenver-
ordnung zunächst nur einen Rahmen geschaffen,
auf dessen mehr oder weniger intensive Ausfül-
lung es ankommen wird. Man hofft dabei, daß,
wenn es wirklich gelingt, eine stabile Nebenwäh-
rung zu schaffen, ein großer Teil der Devisenbesit-
zer selbst ein Interesse daran haben könnte, die
durch etwaiges Zugreifen des Staates gefährdeten
Devisen in wertbeständige Goldnoten umzuwan-
deln, die auf Grundlage von Rentenbriefen der
Währungsbank ausgegeben werden sollen.
Wir betonten schon, daß man sich von der
Wirkung der geplanten neuen Währung keine
übertriebenen Vorstellungen machen darf; denn
sie stellt günstigen Falls einen Anfang dar. Sie
könnte höchstens den Anstoß zu einer Wirtschafts-
gesundung geben, wenn das angekündigte Finanz-
programm so energisch durchgeführt wird, daß
durch allmählichen Abbau der Staatsausgaben
und durch Erhöhung der Einnahmen sowie durch
eine zielbewußte Wirtschaftspolitik die Möglich-
keit zu einer Bilanzierung des Staatshaushaltes
gegeben wird. Die Vorbedingung hierfür würde
freilich eine Verständigung über die Reparations-
frage sein, die ein Ende des wertvernichtenden
Ruhrkriegs ermöglicht. Jedenfalls müßte die Lö-
sung bald kommen, sonst werden wir die Paral-
lelwährung ohne Parallele einführen, weil die
Papiermark unterdessen endgiltig ausgelitten ha-
ben könnte. . . .
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Stadtarchiv Troisdorf (12. September 2023). 12. September 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/afue