Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 30. Oktober 1923
Ein Leitartikel Oskar Plenges zum Einmarsch der Reichswehr in Sachsen, der Absetzung der sächsischen Arbeiterregierung und den Gefahren des Hakenkreuzes aus Bayern.
Soll das Hakenkreuz siegen?
Solingen, den 30. Okt[ober].
O. P. Damit volle Klarheit herrsche: In seltener Ueberein‐
stimmung, also mit den Stimmen der sozialdemokratischen Mi‐
nister, hat das Kabinett Stresemann, angeregt von Fritz Ebert, die
Reichswehr ins republikanische Sachsen marschieren lassen, hat durch
den Militärbefehlshaber Müller die proletarischen Hundertschaften
verbieten lassen, hat die republikanische Regierung des Freistaates
Sachsen absetzen lassen, hat das sächsische Parlament aufgehoben,
hat alle kommunistischen Zeitungen verboten und hat ein Blut‐
regime monarchistischer Militärs in Sachsen sanktioniert. Dieses
alles nur deshalb, um mit dem Halenkreuz-Bayern des Kahr wieder
ins Einvernehmen, wieder zum Verhandeln zu kommen.
Um das monarchistische Bayern, das auf Verfassung und Reichs‐
regierung pfeift, zu besänftigen, verbietet die Reichsregierung durch
General Müller die republikanische Schutzgarde, die proletarischen
Hundertschaften, und setzt die einzige republikanische Regierung in
Deutschland ab.
Die sozialdemokratischen Minister sind bereit, ihren Genossen
Zeigner und die sozialdemokratischen Arbeiter Sachsens dem Haken‐
kreuz-Bayern zu opfern.
„Gepanzerte Faust gegen die proletarischen Republikaner
Sachsens und Sammetpfötchen gegen die rebellierenden Monar‐
chisten Bayerns“, ruft der Bürgerliche H. von Gerlach zornig aus.
Und das ist nur die halbe Wahrheit.
Es ist ein vernichtender Schlag gegen die Republik und ihre
einzigen Träger — die Arbeitermassen.
Kahr, Rupprecht, Ludendorff, Hitler, Lossow und Knilling
triumphieren, denn sie sehen, daß der „Präsident der Republik“ und
die „Regierung der Republik“: Ebert, Stresemann und Sollmann,
letzte Stütze der Republik, das letzte Bollwerk gegen das mon‐
archistische Bayern: Sachsen, sprengen.
Die bürgerlichen Mitglieder des Kabinetts Stresemann haben
keine andere Hoffnung als die auf die Heerführer der monarchisti‐
schen Konterrevolution. Sie fühlen den Boden unter sich wanken
und retten sich in die Arme der Ludendorff-Rupprecht.
Die bürgerlichen Minister müssen sich in dem Ringen
der Machtfaktoren: Kahr-Bayern und Zeigner-Sachsen, zum ersteren
schlagen und irhem [sic!] Klasseninstinkt folgend, für die Errichtung der
offenen Faszisten-Diktatur eintreten.
Was treibt aber die sozialdemokratischen Minister
und die rechts gerichteten VSPD.-Führer zu dem schändlichsten
Verrat an den eigenen Genossen?
Sie werden in das faszistische Lager gezerrt durch die lange
Kette ihrer voraufgegangenen Verräterei.
Weil sie durch ihre Bündnispolitik mit den Todfeinden der
Arbeiterklasse Position auf Position des Proletariats dem Feind
in die Hände gespielt und so das Fundament der Republik aufge‐
rissen haben, müssen sie jetzt die eigenen Genossen in die monarchisti‐
schen Bajonette werfen.
Weil sie nicht den Verteidigungskampf der Arbeiterschaft wollen,
müssen sie jetzt den blutigsten Bürgerkrieg — ausgelöst von den
Feinden der Republik und der Arbeiterschaft — fördern und die
weiße Diktatur mit errichten.
Die Sozialdemokraten in Sachsen, der linke VSPD.-Flügel und
die sozialdemokratische Opposition im ADGB. – Zeigner, Levy,
Dißmann usw. — müssen jetzt durch Taten beweisen, daß sie
die Rettung der Arbeiterklasse und der Republik wollen.
Jetzt nützen keine Proteste und Resolutionen mehr, sondern nur
die schnellste Zusammenfassung aller proletarischen Kräfte und die
Aufforderung zum organisierten Kampf mit allen Mitteln.
Auf den linken VSPD.-Führern lastet jetzt die volle Verant‐
wortlichkeit für das Schicksal der Arbeiterklasse. In breitester Front
wird die Arbeiterschaft einem Aufruf zum Abwehrkampf folgen.
Das Proletariats organisierte Riesenarmeen werden den Haken‐
kreuzler-Putsch ersticken.
Nicht hinter den Eberts, Noske und Stampfer werden die
roten Bataillone marschieren, sondern hinter denen, die das pro‐
letarische Banner in der einen und den Hammer in der anderen
Hand, zum Verteidigungskampf der Arbeiterschaft aufrufen.
Der Kampfruf: Für Arbeitersachsen, gegen Hakenkreuz-Bayern,
gegen die Säbeldiktatur der Monarchisten, für Freiheit und Brot
den Werktätigen, wird begeistertes millionenfaches Echo auslösen.
Niemand wird zurückstehen. Jeder wird sich einreihen in die
große, eiserne, unbesiegbare Front der Arbeit, um den Sieg des
Hakenkreuzes zu verhindern.
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Stadtarchiv Solingen (30. Oktober 2023). 30. Oktober 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aftc