Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 30. Oktober 1923

Eine Demonstration Gräfrather Frauen gegen den hohen Milchpreis und für die Inbetriebsetzung der Volksküche.

Eine öffentliche Frauenversammlung in Gräfrath
nahm Ende letzter Woche Stellung zu der elenden Lage des
werktätigen Volkes. Insbesondere befaßten sich unsere zahl‐
reich erschienenen Hausmütter mit der für ihre Kinder so be‐
deutsamen Milchfrage sowie der Volksküchenange‐
legenheit und der Beschaffung und Reparatur
des Schuhwerks.
   Am Freitag, den 26. d[ie]s[en] M[ona]ts demonstrieten [sic!] etwa
200 Gräfrather Frauen wegen des hohen Milchpreises. Erwerbs‐
lose in großer Zahl schlossen sich an. Eine Deputation von
Frauen und 2 KPD.-Stadtverordneten ging zum Bürger‐
meister und verlangte energisches Einschreiten gegen diese
Wucherpreise sowie Sicherstellung der Milch für Kinder bis
zu 6 Jahren, für hoffende Frauen und ältere und kranke Per‐
sonen. Nach Vorbringen der Anträge erklärte der Bürger‐
meister: „Ihre Forderungen sind durchaus berechtigt. Zu An‐
fang nächster Woche wird die Milch für Kinder bis 6 Jahre,
hoffende Frauen, sowie ältere und kranke Personen auf Karte
abgegeben. Bis zum Alter von 2 Jahren pro Tag 1 Liter,
bis 4 Jahre ¾ Liter, bis 6 Jahr [sic!] ½ Liter Milch an alle aus
öffentlichen Mitteln unterstützte Personen einschl. Erwerbslose.
In besonderen Fällen soll Prüfung durch die Wohlfahrtspfleger
stattfinden.
   Sofortige Inbetriebsetzung der Volksküche
ist unbedingt erforderlich, da bereits 2319 Anmeldungen erfolgt
sind. Etwa 30 Gräfrather Genossinnen haben sich zur Arbeits‐
leistung in der Küche bereit erklärt. Die Inbetriebnahme er‐
folgt Mitte dieser Woche in der Mädchenberufsschule. Die
Abgabe erfolgt zum Selbstkostenpreis.