Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt 31. Dezember 1923

Nationalistischer Appell des Solinger Tageblatts, im neuen Jahr „als Volk zusammenzustehen“ und durch die Zusammenarbeit von „Bürgerschaft und Presse“ den „demokratischen Gedanken“ in der Kommune weiter zu etablieren.

                            Aus Stadt und Umgegend.
                                                   Solingen, 31. Dezember.
                            Ein gesegnetes neues Jahr
wünschen sich die Menschen in der kommenden Sylvesternacht,
in der heuer heller Mond- und Sternenschein auf dicht beschneiten
Dächern und Feldern liegen wird. Trotz aller äußeren und in-
neren Not, die Vaterland und seine Bevölkerung am Ausgang
des verhängnisvollsten und schwersten Jahres nach dem großen
Kriege tragen, scheint sich doch endlich eine Gasse aufzutun
heraus aus dem Joch der Not und der nationalen Demütigungen
zu fruchtbringender Arbeit im Inneren und zu größerer Aner-
kennung nach Außen. Daß der Weg dahin begleitet sein wird
von kaum tragbaren Lasten für alle Schichten der Bevölkerung
und nicht frei sein wird von starken Belastungen des Gemüts
für jeden deutschen Charakter, das wissen wir. Aber wir müssen
durch. Je stärker der Druck von außen wird, je schwerer die
Lasten, die wir für andere auf uns nehmen müssen, desto enger
müssen wir im neuen Jahre als Volk zusammenstehen, um aus
der neuen schweren Zeit als ein in seinen letzten Zielen einiges
Volk hervorzugehen. Der deutsche Gedanke bedarf im neuen
Jahre einer Verinnerlichung. Daran müssen alle mitarbeiten,
die deutschen Stammes sind, gleichviel ob an Rhein und Ruhr,
an der Donau, an der Spree oder an der Weichsel. Trotz aller
Verschiedenheit in den Stämmen sind wir ein Volk mit gemein-
samen weltpolitischen Interessen. Wir müssen darauf sehen, daß
nicht ein Stamm durch uneingeschränkte Betonung seiner Son-
derinteressen das Ganze schädigt. Fester als je heißt es zusam-
menzustehen. Zusammenzustehen nach außen und zusammenzu-
stehen im Inneren. Im Inneren vor allem gilt es das Ver-
hältnis der einzelnen Bevölkerungsschichten zueinander mit
Weisheit und Mäßigung neu zu regeln und den
sozialen Gedanken dort zur Entfaltung bringen zu lassen,
wo er gerechterweise im Vordergrunde stehen muß. Aber über
den sozialen Ausgleich hinweg müssen Alle ihre ganze Kraft ein-
setzen, um zurückzukehren zu fruchtbringender Arbeit in Wirt-
schaft, Reich, Staat und Gemeinde. Insbesondere bedarf die
Arbeit in und für die Gemeinde neuer Anregung und reicherer
Entfaltung. Von hier aus gehen die Kraftwellen strahlenförmig
nach oben. Auch in unserer Gemeinde wird im neuen Jahre
manches zur Reife gebracht werden, was noch im Entwicklungs-
stadium sich befindet. Es ist an der Bürgerschaft, an den Dingen
mitzuwirken, um dem demokratischen Gedanken auch hier neue
Nahrung zuzuführen. Um das zu ermöglichen, ist es notwendig,
daß Bürgerschaft und Presse zusammenarbeiten. Wir unserseits
werden bemüht sein, durch einen weiteren Ausbau unserer kom-
munalpolitischen Arbeit auf die Arbeitsgemeinschaft befruchtend
zu wirken, und hoffen dadurch auch im neuen Jahre einer zahl-
reichen Leserschaft ein unentbehrlicher täglicher Begleiter zu
bleiben wie bisher. Im Sinne dieser gemeinsamen Arbeit wün-
schen wir allen unseren Lesern ein recht gesegnetes neues Jahr.
                                                                                                    H.
                                                    *

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