Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 22. September 1923
„Glänzende Erfolge“ bilanziert die Konferenz der Gewerkschaftsopposition: In Solingen trafen sich die Vertreter des KPD-Bezirks Rheinland-Westfalen Süd, um sich „über die Arbeit der letzten zwei Jahre in den freien Gewerkschaften“ auszutauschen.
Glänzende Erfolge der Opposition
in den Gewerkschaften.
Gestern tagte in Solingen eine Konferenz der oppositio‐
nellen Gewerkschaftsvertreter des Bezirks Rheinland-Westfalen‐
Süd. Ein Mitglied der Reichsgewerkschaftszentrale gab einen
Ueberblick über die Arbeit der letzten zwei Jahre in den freien
Gewerkschaften.
Unsere systematische Schulungsarbeit der organisierten Ar‐
beiter im Sinne des Klassenkampfes hat uns innerhalb der
zwei größten Industrieverbände, dem Deutschen Metallarbeiter‐
und dem Textilarbeiterverband, große Erfolge gebracht. Bei
den letzten Wahlen zu den Verbandstag [sic!] gelang es uns, in beiden
Verbänden die Mehrheit der Stimmen für uns zu gewinnen.
Nur durch die raffinierte Wahlkreiseinteilung und die Ab‐
schaffung des Verhältniswahlsystems ist es der Gewerkschafts‐
bureaukratie diesmal noch gelungen, die Mehrheit der Dele‐
gierten zu erringen. In den übrigen Verbänden, so bei
den Buchdruckern und Straßenbahnern, die beim letzten Ge‐
neralstreik durch Versprechungen der Bureaukratie noch ein‐
mal aus der Kampffront herausgebrochen werden konnten,
haben wir nunmehr entscheidenden Einfluß errungen. Unsere
Versuche, die Verbände der ausgeschlossenen Bau- und Fabrik‐
arbeiter wieder mit den Zentralgewerkschaften zu verschmelzen,
wurden von der Gewerkschaftsbureaukratie auf das heftigste
bekämpft, jedoch wenden sich jetzt die sozialdemokratischen Ar‐
beiter gegen sie. Es hat sich gezeigt, daß unsere Arbeit im
Sinne des Klassenkampfes und der Einheitsfront sehr zur
Stärkung der Zentralgewerkschaften beigetragen hat und die
Arbeiter dadurch wieder Vertrauen zu uns gewinnen. Die
Gegensätze innerhalb der Gewerkschaftsbureaukratie haben sich
verstärkt und teilweise zur Herauskristallisierung von drei Rich‐
tungen geführt. Während die rechten Führer vom Schlage
eines Paeplow—Leipart und Konsorten lieber mit den
Faszisten zusammenarbeiten, als mit den Kommunisten, sind das
Zentrum und die linken Gewerkschaftsführer für ein bedingtes
Zusammenarbeitm [sic!] mit den Kommunisten. Diese ideologische
Spaltung hat sich fortgesetzt bis in die Reihen des Amster‐
damer Bureaus. Leute wie Edo Fimmen, O‘Grady
und andere haben schon längst eingesehen, daß die bisherige
Taktik der Amsterdamer Gewerkschafts-Internationale die Ar‐
beiter immer tiefer ins Elend führt. Aus dem Grunde sind
sie für eine Verständigung mit der Roten Gewerkschafts-Inter‐
nationale. Wenn wir weiter konsequent auf dem beschrittenen
Wege arbeiten, so wird der Tag nicht mehr fern sein, wo die
ganze deutsche Gewerkschaftsbewegung wieder im Fahrwasser
des Klassenkampfes segeln wird.
Unsere kommenden Aufgaben sind, durch Ausbau der
Gewerkschaftsfraktionen und der Roten Kar‐
telle die Arbeit der Kommunisten in den Gewerkschaften zu
verhundertfachen. Straffste Zentralisation der Fraktionen
untereinander bis in die Zentrale. Es gilt, in den uns bevor‐
stehenden Kämpfen einem erneuten Verrat der Gewerkschafts‐
bureaukratie von vornherein die Spitze abzubrechen und un‐
seren Einfluß auf die Massen so zu steigern, daß wir Sieger
bleiben.
In der Diskussion konnten alle Bezirke berichten, daß ihre
Arbeit gut vorwärts geht. Es wurde allgemein hervorgehoben,
daß das nur ein Ansporn sein werde, mehr noch wie bisher
für die Ausmerzung der schädlichen reformistischen Einflüsse
zu sorgen. In Kürze soll eine neue Konferenz stattfinden, um
weitere Schritte zu beraten.
Unsere Arbeit geht vorwärts trotz alledem.
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Stadtarchiv Solingen (22. September 2023). 22. September 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 6. November 2024 von https://doi.org/10.58079/afre