28. Dezember 1923

Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt 28. Dezember 1923

Kritik am Stellenabbau bei der Stadtverwaltung Solingen: „Die Art und Weise jedenfalls, wie die Stadtverwaltung in ihren Sparmaßnahmen vorgeht, kann unsere Billigung nicht finden.“

       Mißgriffe im Verwaltungsabbau? Die demokratische Gruppe
des Solinger Stadtverordnetenkollegiums hat dem Oberbürger-
meister gestern folgendes Schreiben zugestellt: „Der Beamten- und
Angestelltenabbau in der Gemeinde hat begonnen. Es ist durch-
aus notwendig und zu begrüßen, daß man nun endlich alles „Ueber-
zählige“ und „Ueberflüssige“ ausscheiden soll. Die Stadtverord-
netenversammlung Solingens hat schon vor längerer Zeit – und
zwar mehrfach – deutlich darauf hingewiesen, daß in den ver-
schiedenen Abteilungen gespart werden könne. Die Sparkommission
hatte wenig Erfolg zu verzeichnen. Immer wieder mußten wir
aus dem Munde des Oberbürgermeisters oder der Dezernenten
hören: „Keine Kraft ist entbehrlich.“ Ein hartes „Muß“ soll
nun Wandel schaffen. Wenn bei dem begonnenen Abbau gerecht
und sozial verfahren wird, so wird das jeder einsichtige Bürger
der Stadt begrüßen. Unter keinen Umständen aber darf der Ab-
bau schematisch gehandhabt werden. Die Art und Weise jedenfalls,
wie die Stadtverwaltung in ihren Sparmaßnahmen vorgeht, kann
unsere Billigung nicht finden. Auf zwei besonders krasse Fälle
von Kündigungen, die wir als Fehl-, ja Mißgriffe bezeichnen
müssen, halten wir uns verpflichtet, hinzuweisen. Der erste Fall
betrifft den Chemiker Dr. Steinruck. Assistenzarzt des Stadt-
chemikers Dr. Plücker. St. ist Familienvater von drei Kindern.
Hier muß und kann ein Ausgleich gefunden werden. Ueber das
„Wie?“ erlauben wir uns morgen vormittag in einer mündlichen
Aussprache mit Ihnen zu verhandeln. Zweitens: die Entlassung
der Schwester Emmi Bade zum 31. Dezember d[ieses] J[ahre]s. Die Schwester
ist 46 Jahre alt und wird mithin auf eine anderweitige Anstellung
kaum rechnen dürfen. Warum kündigt man gerade ihr? Ganz
vorzügliche Zeugnisse aus diesem Jahre stehen ihr zur Verfügung.
(Von Landgerichtsdirektor Geißler, Landgerichtspräsident Dr.
Kleinschmidt, Oberstaatsanwalt Hepke, Staatsanwaltschaftsrat
Götze, alle Elberfeld, ferner vom Amtsgerichtsrat Venn, Solingen.)
Und vor allem: welch ausgezeichnetes Zeugnis stellt ihr die Ver-
waltung – Beigeordneter Merkel – selbst aus. Es mutet doch
ganz eigenartig an, daß die Verwaltung in einem schriftlichen
Zeugnis vom 18. September des Lobes voll ist und auf der anderen
Seite sagt, daß sie die Schwester für nicht geeignet für ihren
Posten hält. Das ist doch ein Widerspruch, der dringend der Auf-
klärung bedarf. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß über beide
Fälle noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.“

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Stadtarchiv Solingen: RK (28. Dezember 2023). 28. Dezember 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/vf7c


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