8. September 1923

Quelle: Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend (Amtliches Kreisblatt) vom 8. September 1923

Das Erdbeben in Japan

Das Erdbeben in Japan.
Peking, 3. Sept[ember]. Nach den on der Radio-
Telegraphenstation New-Mit-Su aufgefangenen
Nachrichten aus Südjapan hat das Erbebenfast
alle Städte und Dörfer zwischen Tokio und Osaka
zerstört. Die Feuersbrünste dauern an. Tokio
hat besonders stark gelitten. Alle großen Gebäude
sind zerstört. 15 Stadtteile fielen der Zerstörung
gänzlich anheim. die Zahl der Opfer läßt sich
einstweilen nicht überstehen, doch geht au[s] den
späteren Nachrichten hervor, daß sie zum mindesten
auf 100000 zu schätzen ist. Besonders stark
waren die Erdstöße, die Yokohama in Trümmer
legten. Eine gewaltige Panik ergriff die Bevöl-

kerung nach den ersten Sekunden des Bebens.
Zahlreiche Bürger flüchteten in das Inland, daß
heute infolge der Zerreißung der Schienenstränge
von der Umwelt glatt abgeschnitten ist. Eisen-
bahnzüge wurden die Dämme heruntergeworfen
und zerstört. In der Nähe des Fudjianama sind
alle Tunnels und Brücken der Eisenbahn zerstört.
Nähere Meldungen über San Franzisko und
Newyork besagen, daß der Brand in Tokio die
Telephon- und Telegraphenzentralen im Mittel-
punkte der Stadt zerstörte, ebenso das Kaiserliche
Theater und das Arsenal, das unter gewaltiger
Detonation in die Luft flog. Für einige Augen-
blicke war selbst der Kaiserliche Palast bedroht.
doch geht aus den letzten Meldungen hervor, daß
der Prinzregent sowie die gesamte Kaiserliche Fa-
milie gerettet sind. Große Verwüstungen wurden
in der Gegend von Iareanto angerichtet. Ein
großer Teil der Bevölkerung ist hier ohne Wasser
und Lebensmittel. Zusammenstürzende Gebäude
begruben die sich flüchtenden Menschen unter sich.
Die Stadt Atome auf dem Berge Hakone ist schwer
beschädigt. Hier werden die Opfer auf 7000 ein-
wohner geschätzt. In Yokohama sind die Geschäfts-
viertel wie vom Erdboden hinweggefegt worden.
Auf der Halbinsel Izu wurde die Stadt Izu von
einer gleichzeitig einsetzenden Springflut davonge-
tragen. Beim Einsturz des Eisenbahntunnels von
Sasako, des größten Tunnels in Japan, wurden
fast 1000 Menschen getötet.
Ein weiteres Telegramm bringt Einzelheiten
über die Wirkung der ersten Erdstöße. Sie dauer-
ten nur 6 Minuten, waren aber von furchtbarer
Wirkung. Nach einer kurzen Ruhepause setzte das
Beben um 2,30 Uhr von neuem ein und währte
etwa 1 ½ Stunde. Bereits der erste stoß legte
Yokohama nahezu in Trümmer. Gleichzeitig brach
an verschiedenen Stellen der Stadt ein Brand aus,
der infolge der Zerstörung der Wasserleitungen
nicht gelöscht werden konnte. Zahlreiche Einwohner,
die den zusammenstürzenden Häusern entronnen
waren, haben in den Flammen, die ganze Stadt-
viertel überfluteten, den Tod gefunden.
Auch an der Küste der Küste wurde eine große Anzahl Schiffe
durch die gleichzeitig einsetzende Springflut vernichtet.
Berlin, 3. Sept[ember]. Wie den Blättern mitge-
teilt wird, liegen von dem deutschen Botschafter
Solf in Japan noch keine Nachrichten vor. Von
amerikanischer Seite wir mitgeteilt, daß alle
Kabelwege von Japan nach Osten über Amerika
nicht funktionieren. Sie sind wahrscheinlich durch
das Erdbeben zerstört worden. Man ist hier auf
die Wege über Sibirien-Hongkong-Singapore
angewiesen.
London, 4 Sept[ember]. Reuter meldet aus Peking:
Eine drahtlose Meldung aus Tomioka besagt, daß
nach Schätzungen der Polizei in Tokio 500000
Menschen getötet und 300000 Häuser zerstört
worden sind. 40 Europäer sind, wie berichtet,
bei dem Einsturz von Hotels getötet worden.
Andere sind infolge der Sturmflut in Yokohama
ertrunken.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Kreisarchiv Euskirchen (8. September 2023). 8. September 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 23. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/afpo


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.