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Quelle: Stadtarchiv Solingen, Akte Wald W 663, Schreiben 25. Juli 1923
Ruhrbesetzung: Die Stadt Wald erleidet durch die Abschnürung von der Ferngasversorgung aus dem Ruhrgebiet einen „ungeheuren Schaden“. Durch den Wegfall der Einnahmen aus dem städtischen Gaswerk fehlen die Mittel für den öffentlichen Wohnungsbau und verschärfen das bestehende „entsetzliche Wohnungselend“.
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W[ald], 25. Juli [192]3.
Betrifft:
Kredithilfe wegen Ausfälle beim Gas-
werk.
—
Ohne Vorgang.
—
Die Finanznot der Gemeind[e]
ist infolge der in den letzten Wochen
eingetretenen weiteren gewaltigen
Markentwertung aufs äusserste gestie-
gen und droht zur Katastrophe auszu-
wachsen. Für die dringendsten laufen-
den Bedürfnisse ist nur zu einem Bruc[h-]
teil Deckung vorhanden, ganz zu schwe[i-]
gen von dem ausserordentlichen Bedarf
für Bauzwecke, Notstandsarbeiten etc.
Trotz der überwiegenden
Linksmehrheit im hiesigen Stadtver-
ordneten-Kollegium ist es mir s[einer] Z[ei]t
nach schweren Kämpfen gelungen, den
Gaspreis so hoch festzusetzen, daß
mit erheblichen Ueberschuessen gerech-
net werden konnte, die zur Finanzie-
rung der städtischen Wohnungsbauten
Verwendung finden sollten. Bereits
in den ersten Monaten des Kalender-
jahres konnten 170 Millionen M[ark] Ueber-
An den Herrn
Minister des Innern
in Berlin,
d[em] Herrn
Regierungspräsidenten
Düsseldorf.
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schuß entnommen werden.
Der augenblickliche Stand des Gas-
preises beträgt 8000 M pro cbm. Es ist
dieses wohl der höchste Preis, der von
irgendeiner Stadt für Gas erhoben wird,
wenigstens hier im Westen. Die breite Mas-
se wird durch einen derartig hohen Gas-
preis natürlich ausserordentlich belas-
tet und nur die äußerste Not ist die Ur-
sache einer solchen einschneidenden
Finanzmaßnahme gewesen.
Leider hat infolge der Ruhrbesetzung
die Gasfernversorgung durch das Rh[einisch] W[estfälische]
E[lektrizitäts]w[erk] in Essen, dem die Stadt Wald an-
geschlossen ist, seit ca. 4 Monaten
vollständig aufgehört. Welch ungeheuren
Schaden der Stadt gerade durch die Ab-
schnürung der Gaslieferung infolge
des Ruhreinbruchs entsteht, geht aus
folgendem hervor:
Ich nehme zunächst Bezug auf anlie-
genden Bericht an den Herrn Regierungs-
Präsidenten vom 14.6.23 mit Nach-
weisung, wonach der Einnahme-Ausfall
pro April 138.033.994 M und pro Mai
214.585.429 M beträgt und zwar bei einem
Gaspreis von nur 670 bezw. 840 M pro
cbm.
Es liegt nun auf der Hand, daß die
Ausfälle an Einnahmen bei den heutigen
Preisen entsprechend viel höher sind.
Infolge dieser gewaltigen Ausfälle
ist die Stadt gezwungen die Bautätig-
keit in allernächster Zeit einzustellen
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falls ihr nicht größere Summen als Ersatz für die entstan-
denen und noch entstehenden Einnahme-Ausfälle umgehend übe[r-]
wiesen werden.
Die Einstellung der Bautätigkeit wäre allerdings bei
dem heutigen entsetzlichen Wohnungselend nicht zu verant-
worten.
Da der Geldmarkt besonders in den letzten Wochen aufs
äußerste angespannt ist, ist auch auf dem Anleihewege
nichts zu erreichen. Alle Bemühungen in dieser Hinsicht
sind vergeblich gewesen. Die städtische Sparkasse ist eben-
falls nicht mehr in der Lage, mit weiteren Vorschüssen
auszuhelfen, da Industrie und Handel infolge des unge-
heueren Geldbedarfs ihre Guthaben zurückziehen.
Unter Bezugnahme auf den anliegenden Bescheid des
Herrn Regierungspräsidenten in Düsseldorf vom 30.6. cr.,
betr[effend] Kredithilfe wegen der Ausfälle beim Gaswerk bitte
ich, hierauf schnellstens einen Vorschuß als Entschädigung
auszuzahlen oder einen Wechselkredit als Vorschuß zu be-
willigen. Ich bemerke aber, daß mit einigen hundert Milli-
onen der Zusammenbruch nicht aufzuhalten ist. Die Ausgaben
beziffern sich über ganz kurze Zeit nur noch nach Milli-
arden. Obgleich 500 Wohnungen in Wald dringend benötigt
werden, sind in diesem Jahr nur 19 neue Wohnungen in Bau
begriffen, die aber allein einen Kostenaufwand von 4 – 5
Milliarden erfordern werden.
Einen Blanko Wechsel, sowie eine Verpflichtungserklä-
rung erlaube ich mir mit der Bitte beizufügen, den Betrag
an die städt[ische] Sparkasse in Wald a conto Stadthauptkasse
über die Reichsbankstelle in Solingen überweisen zu wollen.
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Solingen: RK (25. Juli 2023). 25. Juli 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 18. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/afj5