Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 29. Juni 1923

Anhänger des Freikorpsführers und rechtsradikalen Aktivisten Gerhard Roßbach verübten einen Mord an dem angeblichen Spitzel Walter Kadow aus den eigenen Reihen. Enthüllungen über den Kreis um Roßbach zeigten auf, dass gegen diese Putschisten entschlossen vorgegangen werden müsse. Der Mord in der mecklenburgischen Stadt wurde durch eine Anzeige aufgedeckt.

                 Der Mord von Parchim.
          Roßbachs geheime Fehme.

   Der ehemalige Leutnant und Freikorpsfüh-
rer Roßbach ist zwar zurzeit ein stiller Mann,
der seit März dieses Jahres im Untersuchungs-
gefängnis des Reichsgerichtes sitzt, aber sein Name
spielt wieder in der politischen Oeffentlichkeit
eine große Rolle. Von seinen Anhängern, den
sog. Roßbachleuten wurde in der Nacht vom 31.
Mai zum 1. Juni in der Nähe von Parchim in
Mecklenburg ein Mord begangen. Der Ermor-
dete, ein gewisser Walter Cadow, der ebenfalls
einer Roßbachorganisation in Mecklenburg, dem
„Verein für landwirtschaftliche Berufsausbil-
dung“ angehört hatte, war bei seinen Kameraden
in den Verdacht der Spitzelei geraten und der
Fehme verfallen. Die Hinrichtung wurde von
den Mitgliedern eines „Rollkommandos“ besorgt.
Man machte den abtrünnigen Genossen zuerst be-
trunken, um ihn dann im Walde halbtot zu prü-
geln. Lediglich aus Furcht vor Entdeckung wol-
len die Täter, wie sie behaupten, dem Delin-
quenten den Gnadenstoß versetzt haben, indem
sie ihm die Kehle durchschnitten und drei Ku-
geln aus einem Armeerevolver in den Kopf
jagten.

   Der Mord ist jetzt erst entdeckt worden durch
Anzeige zweier junger Leute, die aus Mecklen-
burg nach Berlin kamen. Das Berliner Polizei-
präsidium setzte sich mit der mecklenburgischen
Landespolizei in Verbindung. Die Schweriner
Mordkommission grub den Toten in einem Wäld-
chen nahe der Ziegelei Neuhof bei Parchim aus.
Sechs an der Tat Beteiligte wurden verhaftet.
Ein Siebenter ist flüchtig. Der Prozeß, der
diesen „Landarbeitern“ gemacht wird, ergäbe viel-
leicht das traurige, aber nicht ungewöhnliche Bild
eines Roheitsdelikts einer betrunkenen Ge-
schichte mit tödlichem Ausgang, begangen von
verwilderten Kriegsentlassenen, wenn nicht eben
der politische Hintergrund wäre.
   Man erinnert sich wohl noch, daß Mitte
April aus Magdeburg allerhand Material über
eine neue Roßbach-Organisation veröffentlicht
wurde. Die Veröffentlichung geschah im sozial-
demokratischen Vorwärts, war aber offenbar ver-
anlaßt vom Oberpräsidenten Hörsing dem verant-
wortlichen obersten Beamten der preuß. Provinz
Sachsen. Der Vorwärts behauptete damals, daß
Leute der Reichswehr in das Treiben der Roß-
bachorganisation verwickelt seien. Die Unter-
suchung der Magdeburger Geheimnisse wurde dem
Staatsgerichtshof übertragen und gegen die de-
nunzierten Reichswehrangehörigen ein Verfahren
wegen politischen Ungehorsams eingeleitet. Roß-
bach selbst gab eine recht harmlos klingende Er-
klärung ab und die öffentliche Meinung beruhigte
sich. Der jetzt aufgedeckte Mord aber zwingt
dazu, sich noch einmal gründlich mit den Ab-
sichten des angeblichen „Reichswehrblocks Roß-
bach“ zu beschäftigen.
   Die Organisation Roßbach sollte den Kern
einer völkisch-nationalsozialistischen Bewegung
bilden und das ganze Reichsheer außer Wehr-
kreis 7 das ist Bayern, umfassen. Der Chef
der Organisation wollte der verhaftete Ober-
leutnant Roßbach selbst bleiben. Nächster Zweck
der Organisation (das ging aus anderen Enthül-
lungen hervor): Anwerbung von Freiwilligen
für eine „Aktion“ im Ruhrgebiet. Aus einem
vorgefundenen Befehl „Im Auftrag des Chefs
(Roßbach)“ vom Mai 1923 ging hervor, daß an-
gesichts des überhandnehmenden Spitzeltums eine
Fehme aus den „zuverlässigsten und im Waffen-
gebrauch perfekt ausgebildeten Leuten“ gebildet
wurde mit dem Auftrag, Verräter und politisch
mißliebige Personen zu beseitigen. In dem
Schlußsatz des Befehls hieß es: „Die Fehmean-
gehörigen erhalten durch Leute der R. W. (Reichs-
wehr) Ausbildung und Unterricht. Für die Feh-
me wird Geld und alles andere zur Verfügung
gestellt.“
   Das erste Opfer der Fehme sollte Oberprä-
sident Hörsing sein. Allerdings sollte er nicht
gleich ermordet, sondern gewissermaßen als Pro-
bestück verprügelt werden. Aber im Lichte des
nun aufgedeckten Parchimer Mordes gewinnt
doch der ganze Faszistenspaß ein recht ernstes
Aussehen. Nimmt man die Enthüllungen hin-
zu, die vorige Woche im preußischen Landtage
vom Innenminister Severing vorgebracht wur-
den, so kann man es verstehen, daß auch die
rechts stehenden politischen Kreise in Deutsch-
land, vor allem die Deutschnationalen entschlos-
sen sind, einen scharfen Trennungsstrich zwischen
sich und dem rechtsradikalen Verschwörertum zu
ziehen, das mit nationaler Politik nichts mehr
zu tun hat. Das Rowdytum und die Krimina-
lität dieser Putschisten – ist nicht auch das
Bombenattentat von Münster ihr Werk? –
wächst sich zu einer Gefahr aus, die angesichts
der politischen Spannung und des schweren Rin-
gens an der Ruhr rücksichtslos unterdrückt wer-
den sollte.