28. Juni 1923

Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 28. Juni 1923

Dr. Fritz Auer mahnt und wirbt für wertbeständige Löhne und Anlagen.

                                  Devisenkrieg.

   Die laufende Woche steht im Zeichen des [er-]
erneuten Kampfes gegen die Valutaspekulanten.
Ziel des Kampfes ist die Herabsetzung des Dol-
larkurses und, wenn irgend möglich, der Beginn
einer Stabilisierung der Mark. Man hat bei der
letzten mißglückten Stützungsaktion gelernt.
Wird man jetzt die erkannten Fehler vermeiden?
Tatsächlich hat die Verordnung des Reichspräsi-
denten vom Freitag die anstürmende Front der
Markgegner zunächst um ein gutes Stück zurück-
gedrängt. Der Dollar fiel um etwa
ein Drittel gegenüber dem Höchstkurs, den er in
der vorigen Woche erklettert hatte. Aber es
war mehr Panik, als wirkliche Einsicht bei der
Spekulation. Die Verordnung des Präsidenten
hatte sozusagen nur einen Schreckschuß abgegeben.
Sie verschärfte, indem sie den Weg für neue
Ausführungsbestimmungen freigab, die letzte De-
visenordnung nur in einem Punkt: Sie gestattet
den Devisenhandel nur noch zum amtlichen Ta-
geskurs.
   Das war das Todesurteil für den Devisen-
freiverkehr, der ein blühendes Geschäft gewor-
den war, weil er zu jeder Tageszeit die Möglich-
keit bot, Devisen zu kaufen und zu verkaufen,
also zu spekulieren. Es war im buchstäblichen
Sinne ein Schlag ins Kontor der kleinen, viel-
zuvielen Wechselstuben, deren Geschäfte vielfach
gar nicht auf der Provision beruhte, son-
dern auf den Zwischengewinnen, die sie machten,
indem sie die Devisen am Nachmittag eines Ta-
ges zu billigen Kursen fest ankauften, um sie am
nächsten Vormittag wesentlich teurer wieder her-
zugeben.


   Aber nicht nur die Kleinen wurden getroffen,
auch die Großen haben ihren Hieb abbekommen.
Die Verhandlungen des Reichstagsausschusses zur
Untersuchung der verunglückten Stützungsaktion
haben bewiesen, daß die Riesenkonzerne der In-
dustrie und des Handels recht häufig erst nach
Feststellung der amtlichen Börsenkurse, d. h. nach-
dem der Reichsbank die Möglichkeit genommen
war, kursausgleichend zu wirken, mit großen
Kaufordres an den Markt herangetreten sind
und dadurch nachbörslich die Devisenkurse in die
Höhe getrieben haben. Jetzt ist es nur noch
möglich die Orders für die Devisenbörse und
ihren amtlichen Tageskurs auszugeben, genau
wie sich der Kassaverkehr am Effektenmarkt
abspielt.
   Es darf nicht verkannt werden, daß durch
das Verbot des Devisenfreihandels der Import-
Großhandel in einige Verwirrung gebracht wor-
den ist. Die neue Verordnung wurde so plötz-
lich erlassen, daß die Kreise sich nicht auf die
neuen Verhältnisse umstellen konnten. In fast
allen Zweigen des Import-Großhandels werden
die Preise nach dem Stand der Devisenkurse
festgesetzt. Nach Lage der Sache ist es gar nicht
anders möglich. Aber die neue Verordnung be-
deutet, daß die Preise für die meisten Import-
waren immer nur zur Zeit der amtlichen De-
visenfestsetzung werden können. Infolgedessen
ruht jetzt das Geschäft des Import-Großhandels
fast vollständig, und man will erst versuchen,
sich – vielleicht auf dem Umwege über den sog.
Usancehandel – dem neuen Zwang anzupassen.
Die Not des Vaterlandes und seine niedergebro-
chene Währung verlangen eben Opfer, große
Opfer bis an die Grenze der Lebensfähigkeit end-
lich einmal auch von denjenigen Wirtschaftszwei-
gen, die bisher zum größten Teile der Nutz-
nießer der Inflation waren. Schon in seinem
Rundtelegramm an die Landesregierungen hat
der Reichskanzler darauf hingewiesen, daß jetzt
die Schwierigkeiten einzelner Wirtschaftsgruppen
auch wenn sie noch so groß sind, hinter dem Allge-
meininteresse zurückstehen müssen. In der Kö-
nigsberger Rede Dr. Cunos wurde dieser Grund-
satz abermals mit folgenden Worten formuliert:
„Nicht der Gedanke an Gewinn und seine Siche-
rung darf voranstehen, sondern der Gedanke, wie
wir Volk und Vaterland am besten dienen.“
    Von der Regierung, die so väterlich ermahnt,
erwarten aber auch Volk und Vaterland etwas.
nämlich daß sie von dem bisherigen Kurieren an
Symptomen übergeht zu wirklich rettenden Maß-
nahmen. Vieles darüber ist ja auf politischem
Gebiete zu sagen. Aber einiges liegt doch auch
auf der rein wirtschaftlichen Seite. Alle diese
Kreise, die jetzt nicht mehr „spekulieren“ dürfen,
haben das dringende und berechtigte Interesse,
daß nicht nur die Substanz der großindustriellen
Konzerne, sondern auch das kleinere Hab und
Gut, das ist doch ebenfalls Volksvermögen, vor
der Vernichtung durch die Geldentwertung ge-
schützt wird. Die Schaffung wertbeständiger An-
lagemöglichkeiten und wertbeständiger Löhne, das
muß die nächste Sorge der Regierung sein.
                                      Dr. rer. pol. Fritz Auer.

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Stadtarchiv Troisdorf (28. Juni 2023). 28. Juni 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/affc


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