Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 13. Mai 1923

Der neuen deutsche Devisenordnung werden geringe Erfolgsaussichten für die Rettung der deutschen Währung vorausgesagt.

                Das letzte Mittel.
   Die neue deutsche Devisenordnung.

    Aerzte, die einen Todkranken aufgeben, ver-
schreiben trotzdem noch eine möglichst unschädliche
Medizin, „ut aliquid fiat“, damit wenigstens et-
was geschieht. Die neue Devisenordnung dürfte
ein solches letztes Illusionsmittel für die sterbende
Währung sein. Die nach sehr lebhaften Ver-
handlungen der Reichsregierung mit den Fach-
leuten und den Einzelregierungen zustandegekom-
menen Bestimmungen wollen den Kreisen, die bis-
her am deutschen Währungselend fett wurden,
den Devisenjobbern und Valutaschiebern das Ge-
wissen schärfen und sie an ihre Pflicht gegenüber
der Allgemeinheit erinnern. Fühlen sich diese
Kreise betroffen? Sie nehmen bereits mit Be-
friedigung zur Kenntnis, daß ihr Gegner derselbe
geblieben ist. Ein nicht sehr mächtiger Gegner,
nämlich die Reichsbank. Die Devisenbeschaf-
fungsstelle der Reichsbank wird künftig das Kon-
trollrecht über den Markt der ausländischen Gold-
werte besitzen. Sie kann die Jagd natürlich nur in

ihrem beschränkten Bezirk ausüben. Von einer
allgemeinen Bestandsaufnahme oder von einer
Kontrolle durch staatliche Stellen, wie sie ur-
sprünglich an Amtsstelle versprochen wurde, muß-
te im Hinblick auf die Verhältnisse im besetzten
Gebiet und auf die geminderten Befugnisse der
deutschen Behörden überhaupt abgesehen werden.
Also das politische Elend! Man machte aus der
Not eine Tugend und erklärte: Wir führen den
Kampf geg. die Spekulationen auf rein wirtschaft-
lichem Gebiete. Angenehm für Juristen ist
die Vereinheitlichung des Devisenrechts. Die bis-
herigen Bestimmungen kommen in Fortfall, also
das Devisenhandelsgesetz, die Notverordnung vom
Oktober vorigen Jahres und die vier verschiedenen
Ausführungsbestimmungen. Dafür gibt es aller-
dings wieder neue Ausführungsverordnungen.
Bisherige Lücken sucht man zu schließen. Die
Wirtschaftskontrolle der Reichsbank ist auf die
führenden Institute der Bankwelt ausgedehnt.
Ob aber die Belege, die die Devisenbanken über
ihre Anschaffungsgeschäfte der Reichsbank vor-
legen müssen, ausreichen werden, um vollen Ueber-
blick über die Devisenbestände der Banken und
ihrer Kundschaft zu geben, das ist noch sehr die
Frage. Belege über getätigte Devisengeschäfte
mußten die Firmen und Personen mit sog. Han-
delskammerbescheinigung ja schon bisher den Prü-
fungsstellen zukommen lassen. Aber was ist dabei
alles von den weniger gewissenhaften Elementen
geschoben und unterschlagen worden! Nun tritt
eine Verschärfung ein: Die Belege sollen gründ-
licher geprüft und den räudigen Schafen die Han-
delskammererlaubnis entzogen werden. Aber ei-
ner der wichtigsten Punkte, in dem eine schärfere
Kontrolle notwendig wäre, ist in der neuen Ver-
ordnung nur sehr schüchtern angedeutet. Er be-
trifft die Anschaffung von Devisen durch Mark-
verkäufe im Ausland. Solche Verkäufe sollen
vorläufig nur durch Devisenbanken vorgenom-
men werden. Industriebetriebe mit Handelskam[-]
mererlaubnis dürfen den Verkauf nicht vorneh-
men. Die Kundigen lächeln. Es ist doch eine
bekannte Tatsache, daß unzählige deutsche Gesell-
schaften im hochvalutarischem Ausland bestehen.
Sie mußten errichtet werden zur Wiederanknü-
pfung des internationalen Verkehrs. Jeder in-
dustrielle Konzern, der mit solchen deutschen Ge-
sellschaften im Ausland arbeitet, braucht nur ent-
sprechende Markbeträge an sie zu überweisen,
und die Mark fließt in Milliardensummen zur
Devisenbeschaffung ab, ohne daß die Reichsbank
eine Ahnung hat. Will man in den bevorstehen-
den Ausführungsbestimmungen hier noch schnell
einen Riegel vorschieben? Es wird schwer fallen.
Der Verkauf von Reichsmark im Auslande ließe
sich nur durch ein Markausfuhr-Monopol unter-
binden. An dieses Problem hat man sich nicht
gewagt. Ferner: Warum werden nicht alle Aus-
landswertpapiere in ähnlicher Weise wie die De-
visen von der neuen Verordnung betroffen? Die
Spekulanten, denen der Devisenweg verschlossen
ist, helfen sich mit dem Ankauf von Valutapapie-
ren. Für diese viel begehrten Effekten wandern
gewaltige Markbeträge ins Ausland. Kein
Hahn kräht danach. Die Wirkung auf die
deutsche Währung ist genau so ruinös wie bei den
Devisenankäufen. Viele Hunde wären des Hasen
Tod. Die neue Devisenordnung läßt nur einen
wenig jagdfähigen Hund auf die vielzuvielen Ha-
sen los. Der Regierungsvertreter, der die Ver-
ordnung der Presse gegenüber erläuterte, meinte,
es sei damit versucht worden, was sich nach Lage
der Sache mit technischen und polizeilichen Mit-
teln erreichen läßt. Das trifft vielleicht zu auf
die gleichzeitig erlassene Wechselstubenverordnung,
obwohl auch hier die Eifersucht der Einzelländer
auf den Reichsverkehrsminister (Kontrolle der
Bahnhofswechselstuben!) zur Uneinheitlichkeit der
Verfolgung führen kann. Die eigentliche De-
visenordnung kommt zu spät. Sie wirkt nicht
durchgreifend. Sie berührt nur Symptome. Die
sterbende deutsche Währung kann nur noch durch
ein Wunder gerettet werden, nämlich wenn Friede
und Vernunft in die Beziehungen der Völker Eu-
ropas einkehren wollte. Es sieht aber so aus, als
ob es auch dazu zu spät wäre.