Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 22. April 1923

Der Kursanstieg des Dollars und die Gegenmaßnahmen der Reichsbank zur Stützung der Mark stehen im Focus.

                  Die neue Dollarhausse.
          Von unserm Berliner k-Mitarbeiter.

Die neue Devisenhausse ist allen beteiligten
Kreisen, ja sogar der Reichsbank selbst überra-
schend gekommen, bei der einige Depression über
diesen unleugbaren Mißerfolg bei der Markstützungs-
aktion herrscht. Trotzdem wäre es verfehlt, wie
das von einigen Seiten geschieht, bereits von ih-
rem Scheitern zu sprechen. Denn einmal muß
man sich erinnern, daß die Stützungsaktion ein-
setzte, als der Dollar den Katastrophenkurs von
50 000 Mark erreicht hatte, und zweites sind
Regierung und Reichsbank entschlossen, ihre Be-
mühungen zur Stützung Mark trotz alledem
und alledem fortzusetzen, wobei man sich freilich
nicht auf die Festlegung eines ganz bestimmten
Kurses versteifen dürfte. Denn die Interven-
tionstätigkeit, welche die Reichsbank in der letz-
ten Woche ausübte, hat sie etwa 5 Millionen
Pfund gekostet, d. h. ungefähr soviel wie das
Ergebnis der Goldanleihe.

     In den Kreisen der Regierung und der Reichs-
bank steht man auf dem Standpunkt, daß so-
wohl der unzureichende Erfolg der Dollarschatzan-
leihe wie auch das Hinaufschnellen des Dollars
das am Mittwoch einsetzte, darauf zurückzuführen
sind, daß gewisse privatwirtschaftliche Kreise die
Valutaaktion der Reichsbank nicht in dem Maße
unterstützten, wie man das vor allem auch im
Interesse der Ruhrsache hätte erwarten müssen.
Wenn aber darauf hingewiesen wird, daß ja
das Vorgehen der Reichsbank dadurch erleichtert
wurde, daß die Reparationszahlungen und auch
die anderen Lieferungen an die Entente mit weni-
den Ausnahmen auf Grund der Ruhrinvasion
in Fortfall gekommen sind, so steht diesem als
ein die Zahlungsbilanz belastender Posten der
wesentlich vergrößerte Einfuhrbedarf der deut-
schen Industrie an ausländischen Rohstoffen, vor
allem auch an Kohlen, gegenüber sowie die Not-
wendigkeit sehr erheblicher Mittel zur Unter-
stützung der Wirtschaft und der Bevölkerung im
Ruhrrevier aufzuwenden.
     Jedenfalls hat das Reichskabinett im Einver-
nehmen mit dem Reichsbankdirektorium beschlos-
sen die Stützungsaktion für die Mark mit allem
Nachdruck weiterzuführen, wenn man sich auch,
wie schon betont, nicht gerade auf einen bestimm-
ten Kurs festlegen will, sondern die Stützung
soll etwas labiler gehandhabt werden, allerdings
mit dem Endziel der Stabilität. Neben der rein
börsenmäßigen Handhabung soll aber die Stüt-
zungsaktion um sie wirksamer und weniger ver-
lustreich für die Devisenbestände der Reichsbank
zu gestalten, durch positive handels- und wäh-
rungspolitische Maßnahmen verstärkt werden.
Und zwar ist zunächst eine weitgehende Ein-
schränkung der Ausfuhr und des weiteren die
Einführung einer Anmeldepflicht für den Besitz
an Devisen an einem durch die Notverordnung
festzusetzenden Stichtage vorgesehen.
     Ob die Einschränkung der Einfuhr in dem
Verbot der Einführung bestimmter Luxuswaren
ober aber darüber hinaus in der Festsetzung be-
stimmter Bedingungen für die Einfuhr überhaupt
bestehen soll, darüber ist noch keine endgültige
Entscheidung getroffen. Vor allem denkt man
an die Zentralisierung und Ueberwachung der
Kohleneinfuhr, um eine Steigerung der Preise
und zugleich der Devisen durch ungeregelten und
wilden Import zu verhindern. Was die Ein-
führung der Anmeldepflicht für Devisen betrifft,
so ist zwar seitens der Banken bei den Beratun-
gen mit der Reichsbank einiger Widerspruch laut
geworden, aber man hat sich zum Schluß der
Notwendigkeit gefügt. Vor allem wird auch die
grundsätzliche Einholung einer Genehmigung sei-
tens der Reichsbank für jede Beleihung von
Devisen in Erwägung gezogen.
     Das Endziel aller dieser Maßnahmen wird
jedenfalls sein müssen, auf eine Verknappung der
Zahlungsmittelversorgung hinzuwirken. Denn der
unheimlich zunehmende Papiergeldumlauf, der
jetzt bereits auf 5656 Milliarden Mark ange-
schwollen ist, bedeutet ein wesentliches Hinder-
nis für die Markstützungsaktion der Reichsbank.
Im übrigen weißt die letztere darauf hin, daß sie
ihre Golddepots im Auslande jetzt auf 300 Mil-
lionen Goldmark erhöht hat, wodurch sie Mittel
zu haben glaubt, ihre Aktion mit einiger Aus-
sicht auf Erfolg fortzusetzen. Jedenfalls liegt
zu Vorrats- oder Angstkäufen für den reellen
Bedarf an Devisen unter diesen Umständen kein
Grund vor, und die Spekulation, die sich neuer-
dings schon mehrfach zu ihrem Schaden ver-
kalkuliert hat, sollte sich dem steten Willen der
Reichsbank und der Regierung zur Fortsetzung
der Stützungsaktion zur Warnung dienen lassen.