2. Mai 1923

Quelle: Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend (Amtliches Kreisblatt) vom 2. Mai 1923

Unruhen im Krupp-Werk Essen

– Vom Herrn Kreisdelegierten des Kreises
Schleiden geht uns im Namen der hohen Rhein-
landkommission unter Bezugnahme auf den in
Nr. 28 vom 7. April unseres Blattes gebrachten
Bericht über die Zusammenstöße in Essen Nach-
stehendes zur Gratisaufnahme laut Artikel 15 der
Ordonnanz Nr. 97 zu:
Da die falschsten Gerüchte über die den 21. März
in den Kruppschen Werken stattgefundenen be-
dauerlichen Vorfälle in der Oeffentlichkeit weiter
in Umlauf gebracht werden, ist es angebracht, an
Hand der Aussagen deutscher Zeugen, sowie der
amtlichen Untersuchungen einen wahren Bericht
über die Gegebenheiten zu veröffentlichen.
Die französische Abteilung hatte um 7 Uhr vor-

mittags von der Garage Besitz genommen. Auf
Befehl der Direktion der Kruppschen Werke, wurden
die Sirenen ohne Unterbrechung von 9 Uhr vor-
mittags in Tätigkeit gesetzt; wodurch sich die Ar-
beiter in geschlossenen Massen auf dem Fabrik-
platz und der anstoßenden Straße versammelten.
Die französische Abteilung hat den Beweis einer
bemerkenswerten Kaltblütigkeit geliefert. Der
kommandierende Offizier, welcher sich unter den
Drohungen der Masse nicht zurückziehen wollte,
verweigerte 3 Mal den Abzug.
Als er sich umzingelt sah; vorn durch die Masse,
im Rücken durch eine mit Werkzeugen bewaffnete
und durch ihren Werkmeister namens Groß ge-
führte Gruppe Lehrlinge, und er schließlich durch
heißen Dampf im Innern der Garage bedroht
wurde, gab der Offizier, erst nach 4 stündigem
Warten den Befehl zum schießen.
Die Abteilung verfügte über ein Maschinenge-
wehr, dessen sie sich jedoch nicht bediente. Nach
vergeblichen Aufforderungen des Offiziers an die
Masse sich zurückzuziehen, ließ derselbe zwei Schüsse
in die Decke der Garage abfeuern, und erst als er
feststellte, daß diese Maßnahme gar keinen Einfluß
auf die Menge ausübte, befahl er in dieselbe zu
feuern. Er war jedoch noch so gewissenhaft seinen
Leuten den Befehl zu geben, hoch zu schießen, um
ein Gemetzel zu verhüten.
Was die Behauptung anbetrifft, die Mehrzahl
der Opfer seien von hinten getroffen worden, und
daß also das Feuer auf eine fliehende oder sich
zurückziehende Masse gerichtet worden sei, ist die-
selbe durch die Feststellungen der Aerzte zu nichte
gemacht.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Kreisarchiv Euskirchen (2. Mai 2023). 2. Mai 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 18. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/af3x


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