Quelle: Stadtarchiv Euskirchen, Euskirchener Zeitung vom 23.06.1923

Die Redaktion und der Verlag der Euskirchener Zeitung gibt das Wiedererscheinen der Zeitung nach dem verbot bekannt und appelliert an die Euskirchener Bevölkerung ihr auch zukünftig die Treue zu halten.

                                  Euskirchen und Umgegend.
                                                                  Euskirchen, 23. Juni 1923.
                                          An unsere Leser!
Seit 3 Monaten zum Schweigen verurteilt, erscheint
mit heute die Euskirchener Zeitung wieder bei
ihren Lesern. Daß wir in einer Zeit flutender Ereig-
nisse, in einer Zeit, so schwer, wie sie das deutsche Volk
als Nation noch nie erlebte, daran gehindert wurden,
den Zusammenhang zwischen unserer Leserschaft und
den Ereignissen von drinnen und draußen aufrechtzu-
erhalten, hat keiner schwerer empfunden als wir selbst.
Denn die Zeitung bildet heute für Tausende fast die
einzige lebendige Verbindung mit jener Welt, um deren
Verteidigung die Besten unseres Volkes in den Tod
gingen oder zu Krüppeln wurden.
        In dieser Zeit, wo alles, was auf höhere seelische
Güter und Gemütswerte Anspruch erhebt, ausgelöscht
zu werden droht, muß sich der Einzelne über sein Ver-
hältnis zu seiner Zeitung Klarheit verschaffen. Das
eine ist sicher. Die Zeitung ist ein organischer Teil un-
seres Daseins. Zu dieser Ansicht hat sich mancher durch
unser langandauerndes Verbot durchgerungen und
mündliche und schriftliche Zusicherungen des Bedauerns
darüber, daß wir auf so lange Zeit die Verbindung mit
unsern alten Beziehern abbrechen mußten, waren uns
tröstliche Beweise dafür, daß die Zeitung ein Bedürfnis
ist für Haus und Familie. Ein Blatt, das wie das un-
sere auf eine über 90jährige Tradition zurückblickt,
wurzelt in persönlichen Empfindungen ganzer Genera-
tionen. Deshalb muß ein kraftvolles Gefühl der Zu-
sammengehörigkeit beide Teile umschließen, das durch
die wirtschaftliche Not nicht gelockert werden kann und
darf.
        Gewiß, man kann auch ohne Zeitung leben. Aber
es fragt sich nur wie. Für jeden Menschen mit gei-
stigen Bedürfnissen ist die Zeitung die Brücke, die ihn
täglich mit dem Leben verbindet; sie war abgebrochen.
Mit heute ist sie wieder geschlagen und wird wieder
ihrer Aufgabe wie ehedem dienstbar gemacht.
         Der so jäh abgebrochene Unterhaltungsteil in un-
serer Zeitung und unserer Beilage “Erfa” erfährt
seine Fortsetzung und der einzelne Leser wird den gei-
stigen Faden da, wo er abriß, sicher wieder auffinden.
         Die Wiedereinführung der früheren täglichen
Erscheinungsweise, wie der Verlag an anderer
Stelle mitteilt, wird den Lesern willkommen sein.
        Hoffen wir, daß der schwarze europäische Himmel
bald in lichtem Blau erscheint, die Menschheit wieder
hoffen darf und ihr ein wenn auch bescheidenes Quänt-
chen Freude wieder zu Teil wird.
       Unsere Leser bitten wir, besonders in diesen Zeiten
der Not ihrer Zeitung die Treue zu halten, damit sie
ihre Aufgabe für Volk, Heimat und Vaterland weiter
erfüllen und zu ihrem Teile am Aufbau einer neuen
und besseren Zukunft mitwirken kann. Haben wir den
Krieg verloren, wollen wir die Zukunft gewinnen.
    Redaktion und Verlag der Euskirchener Zeitung.