Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 31. Juli 1923
Mangelzustände in der Solinger Lebensmittelversorgung wie im Ersten Weltkrieg
Die Not wächst gewaltig! — Der Hunger wühlt!
Ab heute kostet 1 Liter Milch 17 500 Mk., das
100 000fache des Vorkriegspreises!
Arbeiter und Angestellte! Um das Wievielfache dahin‐
gegen sind eure Löhne und Gehälter gestiegen. Rechnet nach
und ihr werdet sofort finden, wie ihr betrogen werdet –
trotz der lächerlichen „Lohnerhöhungen“, die in Wirklichkeit eure
Existenz immer weiter herabdrücken.
Der heutige Wochenmarkt bietet ein geradezu trostloses
Bild! Die Erzeuger sabotieren ganz einfach die Lebens‐
mittelversorgung, ohne daß die Regierungsstellen sich rühren.
Gemüse war recht ungenügend angefahren, wahrschein‐
lich weil die Preise noch immer nicht hoch genug sind. Kar‐
toffeln wurden in den ersten Morgenstunden von einem
einzigen Händler zum Preise von 20 000 Mk. pro Pfund ver-
kauft. Der Vorrat war sehr bald erschöpft. Glücklicherweise
hatte die Stadtverwaltung durch den Kartoffelhändler Rüb
sich ein größeres Quantum Kartoffeln gesichert, die in der
Markthalle gegen Vorzeigung der Brotkarte zu
13 000 Mk. pro Pfund und pro Person abgegeben wurden.
Allerdings nur an die Solinger Bevölkerung. Der
Verkauf geschah in der Markthalle und wurde das Ge‐
schäft an mehreren Ständen in der Halle in der größten
Ruhe abgewickelt. Tausende von Käuferinnen und
Käufern standen Reihe wie in der Kriegszeit.
Ein Hohn auf die wunderbaren Wirtschaftsverhältnisse,
welche uns die kapitalistische Regierung Cuno beschert hat!
Der Kartoffelverkauf wird morgen fortgesetzt. Man möge
aber stets die Brotkarte mitbringen, denn ohne diese Kontrolle
gibt’s keine Kartoffeln.
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Stadtarchiv Solingen (31. Juli 2023). 31. Juli 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 8. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aex4