Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 14. Juli 1923
Kommunisten (die „Opposition“) und Sozialdemokraten („Amsterdamer Reformisten“) kämpfen auf der Kreisversammlung der Ortsverwaltung Solingen des Deutschen Metallarbeiterverbandes um ihren Einfluss auf die gewerkschaftliche Organisation.
Zu einer scharfen Abrechnung
mit den Reformisten des DMV. wurde die gestrige ordent‐
liche Kreisversammlung des Deutschen Metallarbeiter-Ver‐
bandes. Der Geschäftsbericht des Kollegen Höffgen wurde
einer schar[f] en Kritik unterzogen, wobei allseitig betont wurde,
daß die bisherige Gewerkschaftstaktik nicht dazu angetan sei,
die Masse aus dem Elend herauszuführen. Der Kollege
Müller (SPD.) sieht noch immer das Heil in dem Stimm‐
zettel (von Stinnes Gnaden). Scharf hoben sich hiervon die
Ausführungen des Genossen Walter Rautenbach ab, der nach‐
wies, wie weit die Arbeiterschaft durch Arbeitsgemeinschaft und
Koalitionspolitik gekommen ist. Es gibt für die Arbeiterschaft
nur einen Weg aus dem Elend. Das ist der revolutionäre
Klassenkampf, den die Gewerkschaften vor allem jetzt in er‐
höhtem Maße aufzunehmen haben, wenn nicht das Proletariat
untergehen soll in der Barbarei.
Der Hauptpunkt der Tagesordnung, die „Aufstellung der
Kandidaten zum diesjährigen Verbandstag“ brachte eine stür‐
mische Diskussion hervor; bei dieser glaubte der ber-ühmte
Rrrevolutionär Stiemke eine Lanze für die Spitzenführer
brechen zu müssen, wobei er natürlich in der Versammlung
schwer unter den Schlitten geriet.
Wie weit die Taktik der Gewerkschaften schon geführt hat,
geht daraus hervor, daß der Kollege Schaff erklärte, es hat
fast keinen Zweck mehr, Beiträge für die Gewerkschaften zu zahlen.
Diesen Standpunkt teilt die Opposition im DMV. durchaus
nicht, aber es ist letzten Endes zu verstehen; dies sollten auch
die Gewertschaftsführer erkennen und ihre Taktik ändern, damit
die Masse Vertrauen gewinnt.
Kollege Esser schlug im Auftrage der Opposition folgende
Kollegen als Kandidaten zum Verbandstag vor:
Herm[ann] Weber, Barmen,
Artur Fritsch, Solingen,
Carl Wolfertz, Solingen,
Joh[ann] Knepper, Haan.
Für die Kandidaten der Opposition Liste A. einzutreten
ist Pflicht eines jeden Metallarbeiters, dem es ernst ist mit
dem Kampf um eine menschenwürdige Existenz.
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Stadtarchiv Solingen (14. Juli 2023). 14. Juli 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aewu