4. Juni 1923

Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 4. Juni 1923

Zur Urabstimmung in der Solinger Metallindustrie: Die Lohnerhöhungen müssen schneller erfolgen

                          Zur Metallarbeiter-Lohnbewegung.
                                    Heute Urabstimmung.
   Wie wir bereits meldeten, haben die Betriebsräte das Verhand-
lungsergebnis von 60 Prozent abgelehnt und beschlossen, eine Urab‐
stimmung stattfinden zu lassen. Diese findet ab heute mittag bis
morgen mittag statt, und morgen abend werden die Betriebsräte dann
zu dem Abstimmungsresultat Stellung nehmen.
   Gleich wie das Resultat ausfällt, eine der wichtigsten Aufgaben
der Betriebsräteversammlung am Dienstag wird sein das Tempo der
Lohnverhandlungen zu beschleunigen und zu verlangen, die zwischen
den Verhandlungen liegende 10tägige „Auswirkungszeit“ zu verringern.
   Die bislang geübte Praxis, daß nach einem abgeschlossenen neuen
Lohn die Arbeiter 10 Tage verlieren sollen bis erneut in Verhand‐
lungen eingetreten wird, ist jetzt unmöglich. Die Betriebsräte müssen
heute und morgen die Belegschaften dazu Stellung nehmen lassen.
Selbstverständlich müssen morgen abend die Gewerkschaftsvertreter
beauftragt werden, nach dieser Richtung hin vorzugehen. Der Erfolg
hängt von der ausgiebigen Stellungnahme in den Betrieben ab. Jede
Belegschaft muß öffentlich diese Forderung stellen. Ueberhaupt muß
jede Belegschaft vor einer Betriebsräteversammlung Stellung
zu dem aufgeworfenen und zur Verhandlung in der Betriebsräte‐
versammlung stehenden Fragen nehmen. Mancher Betriebsrat ruft
die Belegschaft erst nach der Betriebsräteversammlung zusammen. Das
ist grundfalsch. Die Betriebsräteversammlung kann nur dann rechte
Arbeit leisten, wenn die Betriebsräte die Meinung der Belegschaften
gehört haben. Aber noch auf eins wollen wir nachdrücklichst hinweisen.
Im ganzen Reiche protestieren die Arbeiter auf das schärfste gegen die
Vorbereitungen zur blutigen Unterdrückung der Ruhrarbeiterschaft durch
Faszisten und Reichswehr und gegen die bisher geübte Lohnpolitik
der Spitzenorganisationen.
   Eine Reichsarbeiter-Konferenz in Berlin hat 6 Forderungen auf‐
gestellt. Diese Forderungen (siehe Leitartikel) müssen von allen Be‐
legschaften aufgegriffen werden. Ebenfalls muß die Betriebsräte‐
Versammlung zu diesen von Arbeitern aller Parteien aufgestellten
Forderungen Stellung nehmen.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Solingen (4. Juni 2023). 4. Juni 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 9. November 2024 von https://doi.org/10.58079/aevq


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