20. September 1923

Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt, 20. September 1923

Die Reichsregierung hat eine neue wertbeständige deutsche Währung angekündigt.

                                Wirtschaftlicher Teil.
                                                  –  
                            Das Ende der Papiermark.
        Aus Berlin wird uns geschrieben:
        Der 18. September 1923 war der Tag, an dem die Papiermark,
wenn auch nur für Augenblicke, zum ersten Male unter den
Wert des Sowjetrubels sank. Am gleichen Vormittag teilte das
Reichfinanzministerium das amtliche Todesurteil über die Pa-
piermark mit. Der Entwurf einer neuen Währung sei fertig;
inzwischen, bis die von den Staatsfinanzen losgelöste Reichsbank
soweit sei, das endgültige Zahlungsmittel auszugeben, solle eine
für diesen besonderen Zweck zu schaffende Bank vorläufige
Goldnoten in den Verkehr bringen, neben denen die Papiermark
nur noch die Bedeutung eines Scheidegeldes behalte.
        Der Zusammenhang beider Vorgänge, des Dollarabenteuers
von Dienstagvormittag und der unvermittelt raschen amtlichen
Todesanzeige der Papiermark liegt auf der Hand. Denn noch
vor wenigen Tagen hat die Reichsregierung, durch den Mund
des Kanzlers, erklären lassen, die Papiermark werde gesetz-
liches Zahlungsmittel bleiben. Der neue, jähe Sturz der Mark,
der für Stunden jede Berechnungsmöglichkeit zu vernichten
schien, muß die Ursache der Ankündigung auch dann gewesen
sein, wenn diese Mitteilung um eine Nacht früher geplant ge-
wesen sein sollte; denn bereits am Montag drohte der Dollar
ins Ungemessene zu steigen.
        Dieser Zusammenhang erklärt es, daß die Reichsregierung,
wenn auch hoffentlich nicht ihre sachlichen Vorbereitungen, so
doch deren Ankündigung so hastig vornahm. Denn darüber sei
man sich klar, daß mit dieser Ankündigung zwar die Papiermark
offiziell totgesagt, aber auf dem Gebiet der neuen Währung
noch nicht Tatsächliches geschehen ist. Wenn neulich der
Kanzler sagte, die Papiermark werde gesetzliches Zahlungs-
mittel bleiben, so konnte das nach Lage der Dinge nur bedeu-
ten, daß man bis zur Schaffung des neuen Geldes auf das
alte eben nicht verzichten könne. Der Papiermark mußte we-
nigstens soviel ihres Wertrestes gerettet werden, daß man im
gegebenen Augenblick wußte, zu welchem Kurse die nullen-
reichen „Fetzen“ in das wertbeständige Geld einzutauschen
seien. Das ist auch jetzt noch so. Man muß annehmen (denn
das Gegenteil wäre unentschuldbar), daß die Regierung Strese-
mann die Unrettbarkeit der Papiermark vom ersten Augenblick
an erkannte, und daß die Loslösung der Reichsbank von dem
Staatshaushalt, der Verzicht auf die unbegrenzte Tätigkeit der
Notenpresse, der Plan zur Deckung des Uebergangsgeldes tat-
sächlich so angelegt war, wie man es unter der Wirkung des
Dienstagsschreckens bekannt gab. Da man es aber bekannt gab,
hat man die Uebergangsfristen unweigerlich verkürzt und die
Möglichkeit, mit einer ..gestützten“ [sic!] Papiermark in die neue
Währung hineinzugehen, sich selbst verbaut. In Gold gerechnet,
hat die bis jetzt umlaufende Notenmenge, obwohl sie in die
Tausende von Billionen geht, einen lächerlich geringen Wert;
und gesteigerter Notendruck würde dies Mißverhältnis nur noch
verschlimmern. Soweit man die Papiermark auch jetzt noch
stützt, geschieht das, weil auch ein Scheidegeld schließlich um-
rechenbar sein muß. Selbst bis zur Ausgabe des vorläufigen
Geldes vergeht noch ziemlich viel Zeit; sie darf nicht den Spiel-
raum hergeben, innerhalb dessen der Dollar auf etliche Milliarden
steigt.                                                                    B.R.


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Stadtarchiv Solingen: RK (20. September 2023). 20. September 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 25. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/aev6


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