Quelle: Stadtarchiv Troisdorf, Pressesammlung: Siegburger Kreisblatt vom 15. März 1923

Kreistagsabgeordneter Naumann aus Troisdorf schreibt zur Fahrpreiserhöhung der Kleinbahn.

     Zur Fahrpreiserhöhung auf der Kleinbahn
                    Siegburg-Zündorf.

 Die Kleinbahn Siegburg-Zündorf, hat in den
letzten 4 Wochen ihre Fahrpreise um rund 400 Proz.
erhöht. In der gleichen Zeit sind die Löhne der Ar-
beiter und Angestellten um rund 20 Proz. (!) er-
höht worden  Die ursprünglich ab 11. 3. geplante
letztmalige Erhöhung der Fahrpreise ist bereits am
7. 3. in Kraft getreten. Meines Wissens nach ist in
der letzten Kreisausschußsitzung am 1. 3. 23 weder in-

nerhalb noch außerhalb der Tagesordnung über die
letzte Erhöhung der Fahrpreise gesprochen, noch ist
dieselbe genehmigt worden. Auch ist mir nicht be-
kannt geworden, daß inzwischen der Kreisausschuß, der
neben dem Aufsichtsrat die Interessen der Allgemein-
heit zu vertreten hat, gegen die ohne Genehmigung er-
folgte letztmalige enorme Erhöhung des Fahrpreises
Einspruch erhoben bezw. die Erhöhung d. Fahrpreises
beanstandet hat. Als Kreistagsabgeordneter erachte
ich es für meine Pflicht auf diese Zustände hinzuwei-
sen und an den Kreisausschuß die öffentliche Anfrage
zu richten, was er in dieser Sache zu unternehmen
men gedenkt.
   Ich weise darauf hin, daß ab 7. 3. 23 eine Mo-
natskarte von Siegburg–Troisdorf (Kölnerstraße)
30 000.– Mk. und ein Einzelfahrschein dieselbe
Strecke 800.– Mk. kostet. Das Publikum, insbe-
sondere die Arbeiter und Angestellten, welche die
Staatseisenbahn bisher benutzten, um zu ihrer Ar-
beitsstätte zu gelangen, sind infolge des stillgelegten
Verkehrs der Staatseisenbahn auf die alleinige Be-
nutzung der Kleinbahn Siegburg–Zündorf angewie-
sen. Es hat nach meiner Ansicht Anspruch auf Un-
terstützung gegenüber der durch die fehlenden Konkur-
renz der Staatseisenbahn durch keine Rücksichten be-
dingte Fahrpreispolitik der Kleinbahn. Auch aus
politischen Gründen erscheint es mir angesichts des
ernsten Kampfes der Regierung und des gesamten
deutschen Volkes zur Senkung der Warenpreise un-
verantwortlich, durch eine rigorose Konjunkturaus-
nutzung Fahrpreiserhöhungen vorzunehmen, die durch
die Steigerung der Teuerung nicht gerechtfertigt sind
und die bezüglich ihres gewaltigen Umfanges nur
preistreibend wirken können.
   Ich bitte deshalb den Kreisausschuß, sich der Sache
anzunehmen und preisregulierend seinen Einfluß auf
die Gestaltung der Fahrpreise bei der Kleinbahn Sieg-
burg–Zündorf geltend zu machen, Die Oeffentlich-
keit hat ein großes Interesse daran, zu wissen, wie sich
der Kreisausschuß als Aufsichtsbehörde zu dieser mit
nichts gerechtfertigten gewaltigen Preiserhöhung stellt,
insbesondere, was der Kreisausschuss zu tun gedenkt,
dem direkt gegen das Gesetz verstoßende Verhalten
der Kleinbahn Siegburg–Zündorf, welche die erhöh-
ten Fahrpreise vom reisenden Publikum bereits ein-
kassiert, ohne die Genehmigung der Aufsichtsbehörde
zu haben, entgegenzutreten.

                                    Franz Naumann, Troisdorf.