Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt 7. Februar 1923
Der Kreistag des Landkreises Solingen in Opladen gibt eine Erklärung gegen die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Soldaten ab. Die kommunistische Kreistagsfraktion beschuldiget die anderen Parteien an dem Einmarsch mitverantwortlich zu sein.
Kreistagssitzung in Opladen
am 6. Februar 1923.
Unter dem Vorsitz von Geheimrat Lucas beginnt die
Sitzung gegen 3 ¾ Uhr. Die Kreistagsabgeordneten sind fast
vollzählig erschienen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gab Abg[eordneter] Jansen für
alle Parteien mit Ausnahme der Kommunisten nachstehende
Erklärung ab:
„Als berufene Vertreter der Bevölkerung des Landkreises
Solingen erheben wir gleich den Vertretungen anderer Kreise
und Städte des Rheinlandes lauten und entschiedensten Einspruch
gegen die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und bel-
gische Truppen. Das Vorgehen Frankreichs und Belgiens, wie
es sich auch im altbesetzten Gebiet durch die rigorosen und durch
nichts begründeten Ausweisungen pflichttreuer Beamten zeigt,
widerspricht jedem Recht und jeder Gerechtigkeit. Es ist ein
Hohn auf jede Menschlichkeit und eine Schmach für ein Kulturvolk.
Wir erklären feierlich, daß wir alle unsere Kraft einsetzen wer-
den, um mit stolzer Würde, mit eiserner Ruhe in brüderlicher
Einigkeit den guten Kampf zu kämpfen um unsere Lebensrechte,
um unsere liebe Heimat und um das Fortbestehen unseres deut-
schen Vaterlandes. Mit Rheinischer Treue und Bergischer
Zähigkeit werden wir in diesem Kampfe ausharren bis zum
guten Ende. Alle Abtrennungsbestrebungen und Sonderbün-
deleien bezeichnen wir laut und deutlich als Verrat am Vater-
lande und strafen jeden, der sich damit abgibt, mit tiefster Ver-
achtung. Drum, Brüder am Rhein und Ruhr, schließet enger
und enger die Reihen, haltet kameradschaftlich, klug und beson-
nen zusammen, dann dürfen wir hoffen, daß deutscher Opfer-
mut und unerschütterliches Zusammenstehen aller Volkskreise
auch diesen Schicksalsweg meistern wird.“
Abg. Oberdörster (Komm[unist]) erhob ebenfalls gegen die
Besetzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen im Namen
seiner Fraktion Einspruch. Er sprach den übrigen Parteien aber
das Recht ab einen derartigen Einspruch zu erheben, da sie die
Mitschuld an dem augenblicklichen Einmarsch der Franzosen
trügen. In längeren Ausführungen, die von großer Schärf
waren und zu einem starken Widerspruch der übrigen Abgeord-
neten führten, richtete Oberdörster heftige Angriffe gegen den
deutschen und internationalen Kapitalismus. Mehrmals wurde
dem Redner vom Vorsitzenden mit der Entziehung des Wortes
gedroht.
[…]
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Stadtarchiv Solingen: RK (7. Februar 2023). 7. Februar 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/ae1x