19. Oktober 1923

mehrseitiges Dokument – bitte hier klicken


Quelle: Stadtarchiv Düsseldorf, 0-1-16-27.0000

Auszug aus dem Protokoll der Finanzkommission Kaiserswerth Stadt und Land.

Finanzkommission Stadt und Land.

[…]

Verhandelt:
Kaiserswerth, d[en] 19. Okt[ober] 1923
Unter dem
Vorsitz des Bürgermeisters
Dr. Rissdorf hatte sich
heute nach ordnungs-
mäßiger Einladung die
vereinigte Fianzkommis-
sion Kaiserswerth-Stadt
und -Land im Rathause
versammelt, um über
nachstehende Punkte
der Tagesordnung zu be-
raten und zu beschliessen.

1. Kartoffelbeschaffung.

Vorsitzender
weist zunächst einlei-
tend darauf hin, daß
durch den weiteren
Verfall unserer Währung
die Beschaffung von
Winterkartoffeln ganz
ungeheuere Summen
erfordert. So hat in den


letzten Tagen eine Firma
allein 6 Billionen Mark
angefordert. Soweit die
erforderlichen Beträge den
Lieferanten nicht zur Ver-
fügung gestellt werden,
ist auf Lieferung der be-
stellten Kartoffeln keines-
falls zu rechnen.
Da die durch die allgemeine
Notlage der Bevölkerung

zu erwartenden Unruhen
nur durch Belieferung
der Leute mit den not-
wendigsten Lebensmit-
teln zu bannen sind,
habe ich in der Voraus-
setzung, daß sich die
zuständigen Vertretungen
mit meinem Vorgehen
nachträglich einverstan-
den erklären werden,
einen kurzfristigen Kre-
dit von 5 Billionen
Mark bei der Landesbank
aufgenommen und das
Geld den mit der Lieferung
beauftragten Firmen be-
reits telegrafisch anwei-
sen lassen. Weiterhin
kann der Bürgermeisterei
ein Kredit von 5 Billionen
Mark von der Reichsbank
durch Vermittlung der
Landesbank zur Verfügung
gestellt werden.
Nach Bespre-
chung der Angelegenheit er-
klärte sich die Kommission
mit der Aufnahme je eines
Kredits von 5 Billionen
Mark bei der Landesbank
bezw. Reichsbank einstim-
mig einverstanden.
Da die Landwirte
unter den heutigen

Verhältnissen kaum mit
dem Ankauf von fremden
Saatkartoffeln rechnen
können, wird aus der
Versammlung heraus in Vor-
schlag gebracht, Saatkartof-
feln aus den auswärts
bestellten städtischen Kar-
toffeln auszusuchen und
den Erzeugern gegen Ab-
gabe einer erhöhten Menge
anderer Kartoffeln
zur Verfügung zu stellen.
Kommission stimmte dem
Antrage zu.

2. Kohlenbeschaffung.

Die von der Stadt
bei der Bergkohle in Auftrag
gegebenen Kohlen sind seit
längerer Zeit eingegangen
und den Händlern zugeführt
worden, Da jedoch die für
den Transport der Kohlen
vom Kohlenhändler zum
Konsumenten erforderli-
chen Passierscheine bisher
nicht eingegangen sind,
konnte eine Ausgabe der
Kohlen an die Konsu-
menten nicht erfolgen.
Wie Vorsitzender mitteilt,
kann mit dem Eingang
der Kohlenscheine nach
persönlicher Rücksprache
mit der zuständigen fran-
zösischen Kohlenstelle mor-
gen gerechnet werden.

Nach Eingang der Scheine
wird die Ausgabe der Koh-
len sofort erfolgen.
Für den Ankauf
von Braunkohlenbriketts
wird den Kohlenhändlern
ein gemeindlicher Kredit
zur Verfügung gestellt, so-
daß mit dem Anrollen
weiterer Kohlenmengen
in kürzester Zeit gerechnet
werden kann. Sollten die
Kohlenhändler jedoch mit
Rücksicht auf die hohen
Kohlenpreise zunächst von
dem Ankauf von Briketts
absehen, so sind die be-
willigten Darlehen und
Kredite sofort unter An-
rechnung der von der
Reichsbank geforderten
Bankzinsen einzuziehen.

3. Druck von Notgeld.

Mit Rücksicht
auf den weiteren Verfall
unserer Währung ist der
weitere Druck von 10-
Millionen-Scheinen einge-
stellt worden. Die noch
in Auftrag gegebenen 50 000
Scheine sind mit dem
Aufdruck von 1 000 000 000 M[ark]
in Auftrag zu geben.

4. Antrag der Erwerbslosen
auf Verbilligung von Le-
bensmitteln pp.

Mit Rücksicht auf die Finanznot der
Gemeinden sowie in

Ausführung der beson-
deren Anweisung der
Regierung können die
von den Erwerbslosen
gestellten Forderungen
nicht bewilligt werden;
außerdem wird im Hin-
blick auf die weitere Ent-
wertung unseres Geldes
mit einer weiteren Er-
höhung der Erwerbslo-
senunterstützungssätze
bestimmt zu rechnen
sein. Um nicht die
Landwirte wie auch die
weiteren Geschäftsleute
in Ungelegenheiten zu
bringen, ist von einem
Antrage an die interes-
sierten Kreise auf Lie-
ferung verbilligter Lebens-
mittel an die Erwerbslo-
sen abzusehen.

[…]


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Düsseldorf (19. Oktober 2023). 19. Oktober 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 18. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aer6


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.