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Quelle: Stadtarchiv Solingen, Akte Stadt Wald W 663, Kreditantrag 14. März 1923
Die aktuelle Finanznot der Stadt Wald: Trotz der ausführlich beschriebenen „günstigen Vermögenslage“ benötigt die Kommune einen Kredit von 200 Millionen Mark, um ihre Verbindlichkeiten bedienen zu können.
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Abt. II.
Antrag auf Gewährung eines Landeskre-
dits von 200 000 000 M[ar]k.
–
Verfügung vom 8. März cr. I. D.
2305/06.
–
Wald, den 14. März 1923.
1) An den Herrn
Reg[ierungs]präs[identen]
in D[üssel]dorf.
[unleserlich]
Unterm 2. und 12. März d[iese]s J[ahre]s
habe ich die außerordentliche finanz-
zielle Notlage der Stadtgemeinde Wald
eingehend geschildert und eine regie-
rungsseitige Unterstützung beantragt.
Insbesondere ist von mir hervorgehoben
worden, daß die eigenen Betriebsmittel
der Stadtkasse längst erschöpft sind
und die Gemeinde in nächster Zeit ihre
Verbindlichkeiten zu erfüllen nicht mehr
in der Lage sein wird.
Hervorgerufen wird dieser Geld-
mangel dadurch, daß
1. für die Veranlagung der verbliebenen
wichtigsten Gemeindesteuern (der
Gewerbesteuer) die Erträge aus 1921
zu Grunde gelegt werden, demzufolge
auch die wiederholten Nachtragsumla-
gen bei weitem nicht soviel ein-
bringen, um bei der ungeheueren Mark-
entwertung auch nur annährend den
Aufgaben der Stadt gerecht werden zu
können.
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2. den Gemeinden das Zuschlagsrecht z[ur]
Einkommensteuer entzogen worden is[t]
und die Reichseinkommensteuer- und
Umsatzsteueranteile nicht in dem
Verhältnis der katastrophalen Geld-
entwertung zur Ausschüttung gelangen.
3. für außerordentliche Ausgaben (Ex-
tra – Ordinarium) keine Anleihebe-
träge auf irgend einem Wege mehr z[u]
erhalten sind.
Wenn auch die ca. 28 000 Einwohner zäh-
lende Industriestadt Wald z. Zt. kein
Betriebsmittel flüssig hat, so muß ih[re]
Vermögenslage dennoch als eine durch-
aus gute bezeichnet werden. So besitzt
sie unter anderem ein schuldenfreies
Gas- und Wasserwerk und ein unter
Selbstbewirtschaftung stehende eben-
falls schuldenfreies landwirtschaftli-
ches Gut zur Größe von 120 Morgen, das
damals für 250 000 Goldmark angekauft
wurde und auf dem 40 Rinder, ein Ar-
beitspferd und 4 Fohlen gehalten wer-
den. Rechnet man den Goldankaufspreis
nach der heutigen Notierung in Papier-
mark um, so repräsentiert das Gut mit
den aufstehenden Gebäulichkeiten allein
einen Wert von 1 Milliarde Mark, wozu
noch der Viehbestand im Werte von
90 Millionen Papiermark tritt.
Die langfristigen Darlehen der
Stadt belaufen sich auf 65 000 000 Mk.
Es wäre ein leichtes sie abzustoßen,
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wenn sie ihre Läger in Materialien aller Art realisieren würde,
was natürlich nicht wirtschaftlich wäre. Im Jahre 1920 wur-
den etwa 120 Wohnungen erbaut, deren Herstellungskosten in
der angegebenen Schuldenlast von 65 Millionen Mark enthalten
sind. Ferner sind in derselben 40 Millionen Mark Anleihe-
schulden enthalten, die für das städtische Bauprogramm für
1922 aufgenommen worden sind. Infolge der starken Geldent-
wertung und der damit verbundenen Preissteigerung werden
sich die Kosten dieser Bauten – 31 große und kleine Häuser –
zur vollständigen Fertigstellung aber auf mindestens 180
Millionen M stellen. Diese Bauten würden sicher
weit mehr als 300 Millionen Mark kosten, wenn nicht die Stadt
in vorsorglicher Weise bereits im Frühjahr vorigen Jahres
das gesamte Bauholz für 2000 M je cbm (heute 300 000 M)
eingekauft und sie nicht die erforderlichen Ziegelsteine
durch Beteiligung an einem privaten Ziegeleiunternehmen
vollständig frei gehabt hätte. Trotz dieser günstigen Ver-
mögenslage, die sich selbstverständlich auch für manche an-
dere Stadt ergeben mag, ist es nicht möglich, Anleihebeträge
unterzubringen.
Da es bedenklich erscheint, die eigene Sparkasse
über ihre Liquidität hinaus mit Vorschüssen in Anspruch
zu nehmen, beantrage ich unter Bezugnahme auf die eingangs
erwähnten Berichte und die heute mit dem Herrn Kommunal-
dezernenten stattgehabte Unterredung auf die zur Sanierung
des Bauprogramms für 1922 und für anderen dringenden außer-
ordentlichen Bedarf von der Stadt beschlossenen Anleihe von
180 Millionen Mark einen Landeskredit von mindestens 140
Millionen Mark erwirken zu wollen.
Wie aus meinem Bericht über die III. Nachtragsum-
lage vom 13. März cr. hervorgeht, beträgt das ungedeckte
Defizit des laufenden Rechnungsjahres voraussichtlich
103 Millionen Mk. Es wird angenommen, daß die III. und
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letzte Nachtragsumlage 40 Millionen Mark einbringen wird,
sodaß ein Betrag von 63 Millionen Mark ungedeckt bleiben
wird. Bis zur Ausschüttung der erhöhten Reichssteueranteile
ist daher zur Bestreitung der laufenden Bedürfnisse ein
Landeskredit von 60 Millionen Mark notwendig. Der beantrag-
te Gesamtkredit stellt sich damit also auf 200 Millionen
Mark. Dieser Betrag ist umsomehr unentbehrlich, als er
nicht nur zur Deckung der vorliegenden und der in aller-
nächster Zeit zu erwartenden Rechnungen, sondern auch zur
Sicherung der großen Gemeindebedürfnisse in der Übergangs-
zeit vom alten zum neuen Rechnungsjahre benötigt wird. Ich
bitte daher, den vorliegenden Antrag auf das Wärmste be-
fürworten zu wollen. Die Bedingungen des Erlasses des Herrn
Ministers des Innern vom 26. Februar cr., IV I/42 werden
anerkannt. Ich werde persönlich im Ministerium vorstellig
werden und den erforderlichen Wechsel dort vorlegen.
2) z[u] d[en] [unleserlich]
D[er] B[ürgermeister]
H[einrich]
Auflösung von Abkürzungen:
cr. = curentis bedeutet „des laufenden Jahres“
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Solingen: RK (14. März 2023). 14. März 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 15. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aeo5