Solinger Markthalle um das Jahr 1890. Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bildarchiv RS 17129
Auf dem Luftbild von 1926 ist gut abzuschätzen, wie lang die Menschenschlange vor der Stadthalle am Neumarkt bis zur Kölner Straße gewesen sein muss. Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bildarchiv LB 0069 (Ausschnitt, für die vollständige Größe, klicken Sie auf den Link)
Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt 11. August 1923
Mangel an bezahlbaren Kartoffeln: Wie in den Kriegsjahren stehen die Solinger Verbraucher Schlange, um die von der Stadtverwaltung billig verkauften Kartoffeln zu ergattern.
Kartoffelpolonaisen.
Man wird wieder einmal an die Polonaisenzeit der Kriegs-
jahre erinnert. Die Lebensmittelzufuhr stockt. Es muß ratio-
niert werden und das „Reihestellen“ zum Empfang der recht
knapp gewordenen Rationen hat begonnen. Besonders Kartof-
feln sind seltene Artikel geworden. Weniger deshalb, weil keine
zu beschaffen sind, sondern in erster Linie wegen der hohen
Preise. Für holländische Kartoffeln wurden gestern, wie wir
schon mitteilten, 60 000 Mark verlangt. An der Kaufkraft des
Geldes gemessen, mag dieser Preis berechtigt sein. Er ist aber
für die Verbraucher unerschwinglich. In dieser Erkenntnis hat
die Stadtverwaltung nichts unversucht gelassen, um der Not zu
steuern. Die mit Sehnsucht erwarteten Kartoffeln aus dem
Magdeburger Bezirk waren heute früh eingetroffen. Diese Nach-
richt verbreitete sich naturgemäß recht schnell unter der Bevöl-
kerung. Die Markthalle, wo der Verkauf stattfand, hatte einen
starken Andrang nachzuweisen. In dichten Reihen standen die
Hausfrauen, vielfach auch Männer, um mit der Brotkarte be-
waffnet ihren Anteil in Empfang zu nehmen. Um allen „Moge-
leien“ vorzubeugen, ließ die Stadtverwaltung eine genaue Kon-
trolle durchführen. In Gruppen wurden die Käufer an einem
Eingang der Markthalle hineingelassen, mußten ihre Brotkarte
abstempeln lassen und konnten dann die Kartoffeln bei den ein-
zelnen Händlern in der Markthalle in Empfang nehmen. Hier
wurde von Erwerbslosen nochmals eine Kontrolle der Brotkar-
ten ausgeübt. Nur auf diese Weise war es möglich, den Ver-
kauf in geregelten Bahnen durchzuführen und die große Menge
der Käufer, die sich von der Markthalle bis zur Kölnerstraße auf-
gestellt hatte, zu befriedigen. Der Verkauf, bei dem der Leiter
des Lebensmittelamtes, Beigeordneter Schaal, anwesend war, ging
denn auch reibungslos vonstatten. Nachdem anfänglich an Brot-
kartenbesitzer bis zu fünf Personen 5 Pfund und darüber hinaus
10 Pfund abgegeben worden waren, mußte man später, um alle
Leute zu befriedigen, eine Einheitsration von fünf Pfund für
jede Brotkarte festsetzen. Zusammen gelangten 400 Zentner
zum Verkauf, die zu einem Preise von 25 000 Mark abgegeben
wurden. Wenn die Menge auch nicht ausreichte, um die Be-
dürfnisse für die nächsten Tage ganz zu befriedigen, so wurde
doch der bestehenden Not etwas abgeholfen. Weitere Kartoffel-
sendungen stehen für die Stadtverwaltung in Aussicht. Sch.
* * *
Wenn Sie sich die vollständige Ausgabe des Solinger Tageblatts ansehen möchten, klicken Sie auf den Link: Solinger Tageblatt 11. August 1923
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Solingen: RK (11. August 2023). 11. August 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 15. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aelr