Quelle: Stadtarchiv Solingen, Protokolle V-E-1-Bd-10, Auszug Sitzung 20. März 1923   

Stadtverordnetenversammlung Höhscheid: Stadtverordneter Lüchem verkündet, dass die KPD-Fraktion jede „positive Arbeit“ in der Stadtverordnetensitzungen solange einstelle, bis der Regierungspräsident die am 24. November 1922 beschlossenen Wohlfahrtsunterstützungssätze nicht mehr durch „sabotierende Verfügungen“ verhindere.  

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                                           Höhscheid, den 20. März 1923.

       Zur heutigen Sitzung haben sich die nebenbezeichneten Beigeord-
neten und Stadtverordneten eingefunden. Nach den vorliegenden Bescheini-
gungen sind die Einladungen bis zum 17. d[ieses] M[onats] zugestellt worden. Die Sitzung
wurde vom Vorsitzenden um 7 Uhr nachmittags eröffnet.
Zunächst machte der Vorsitzende folgende Mitteilungen:
1.) Infolge der für die Reichs- u. Staatsbeamten erfolgten Gehaltserhöhungen sind für die
Gemeindebeamten und Angestellten folgende Gehaltsveränderungen eingetreten:
a.) Erhöhung des Teuerungszuschlages zum Gehalt pp vom 17.1.23 ab auf 489%
b.)      ”           der Sonderzuschläge ab 17.1.23 auf 44%
c.) Vorschußzahlung in Höhe der Hälfte eines Monatsgehalts nach dem Stande vom 1.1.23
d.) Erhöhung der Sonderzuschläge ab 1.2.23 auf 78%
e.)    ”            des Teuerungszuschlages zum Gehalt pp vom 1.2.23 ab auf 942%
f.)      ”           der Sonderzuschläge für die Zeit vom 17.1.-31.3.23 auf 74%
g.)    ”              ”               ”                        ab 1.2.23 auf 130%
h.)    ”            Besatzungszulage ab 1.2.23
i        ”             Sonderzuschläge ab 15.2.23 auf 260%.
        Die bis 31.3.23 zu zahlenden Mehrbeträge sind angewiesen worden.
2.) Auf Grund des § 59 des K.A.G. vom 14.7.93 / 26.8.21 hat der Herr Regierungspräsident
mit Zustimmung des Bezirksausschusses am 9.3.23 behufs Deckung des Steuerbe-
darfs für das Rechnungsjahrs [sic!] 1922 das Verhältnis der Zuschläge zu den einzel-
nen Realsteuern untereinander und die Steuersätze der besonderen Realsteuern
wie folgt festgesetzt:
a.) 4000% von den [sic!] Gewerbesteuer nach besonderer Ordnung (einschl[ießlich]     3200% Nachtrags-
    umlage) entsprechend 10240% der staatlich veranlagten Gewerbesteuer.
b.) 300‰ Grundsteuer des Wertes der Hausgrundstücke (einschl. 240‰ Nachtrags-
    umlage und
    750‰ des Wertes der landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Grundstücke
    (einschl. 600‰ Nachtragsumlage) nach besonderer Steuerordnung entsprechend
    37552% der staatlich veranlagten Grund- und Gebäudesteuer sowie
c.) 7200% zur Betriebssteuer (einschl. 5760% Nachtragsumlage)
    Der Vorsitzende stellte hierauf fest, daß gegen die Anerkennung der Dringlichkeit der
zur Beratung stehenden Punkte Bedenken nicht erhoben worden.
Darauf erklärte der Stadt[verordnete] Lüchem (K.P.D.) daß seine Fraktion es ablehn [sic!],
positive Arbeit zu leisten, bis die Beanstandung des Beschlusses Nr 9 vom 24.11.22
betr[effend] Wohlfahrtsunterstützungssätze zurückgenommen und positive Unterlagen

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dafür gegeben seien, daß das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde sabotierende
Verfügungen der höheren Instanzen nicht mehr ergehen würden. Er verliest
dann folgende Erklärung der Fraktion der K.P.D., deren einstimmige An-
nahme er beantragt:
       Die Stadt[verordneten] Versammlung nimmt Kenntnis von der Festsetzung der Nachtrags-
umlage durch den Regierungspräsidenten und den Bezirksausschuß zu
Düsseldorf. In dem Vorgehen der übergeordneten Instanzen erblickt sie
einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und protestiert
auf das Schärfste gegen diese Maßnahmen. Die Regierung hat mit ihren
Maßnahmen den Rahmen ihrer Kompetenz überschritten, die Ausschaltung
der Stadtv. Versammlung ist gesetzlich nicht zu begründen. Diesem Willkür-
regiment kann die Stadtv. Versammlung nicht blos mit Protesten ent-
gegentreten, sondern wird den schärfsten Kampf gegen dieser [sic!] führen
müssen. Die Stadtv. Versammlung erwartet von der Verwaltung,
daß sie in diesem Kampfe der Stadtv. Versammlung zur Seite steht und
alles unternimmt, was geeignet ist, diesem unwürdigen Zustand ein
Ende zu bereiten.
       Durch die Beanstandung des Beschlusses Nr 9 vom 24. Nov[ember] 1922 hat der
Bürgermeister das Selbstverwaltungsrecht selbst preisgegeben und damit
das Gemeindeinteresse aufs gröblichste verletzt. Die Stadtv. Versammlung
protestiert auf das Schärfste gegen das Verhalten des Herrn Bürgermeisters
und erklärt, daß sie ihm jedes Vertrauen abspricht. Das Kollegium unter-
streicht aufs neue die Erklärung vom 7. März 1923 und lehnt der Verwaltung
jegliche Mittel solange ab, bis sie hinreichende Garantien dafür hat, daß der-
artige Eingriffe nicht mehr vorkommen.
                                                          Die Fraktion der K.P.D.

[…]

Auflösung von Abkürzungen:
K.A.G. = Kommunalabgabengesetz

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