Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt 27. Juli 1923
Wohltätigkeitsveranstaltung in Höhscheid: Mit etwa 1500 Lungenkranken in der Gemeinde ist „durchgreifende Hilfe dringend“ erforderlich.
Höhscheid, 27. Juli. Der Wohltätigkeitstag in Höhscheid. Der
Bergische Verein für Gemeinwohl bittet uns um Veröffentlichung des
Folgenden: „Der Kirmessonntag war bisher nur dem Vergnügen und
der Geselligkeit gewidmet. In diesem Jahre soll er einem edleren
Zwecke dienstbar gemacht werden. Der Bergische Verein für Gemein-
wohl richtet an alle Einwohner und Kirmesbesucher die Bitte, sich an
den Veranstaltungen und Sammlungen zum Besten der an Tuberkulose
Erkrankten zu beteiligen. Auch sollen mit den aufgebrachten Mitteln
eine größere Anzahl unterernährte und in ihrer Gesundheit bedrohten
Kinder in Erholungsheime und Solbäder geschickt werden. Die Not in
unserm so jämmerlich niedergetretenen Lande ist groß. Der Direktor
der Berliner Kinderklinik gibt folgendes erschütternde Gutachten:
„Die gegenwärtige Zunahme der schweren Tuberkulose beweist, daß sich
die Lebensbedingungen wiederum im bedenklichem Maße verschlechtert
haben. Daß das wirklich der Fall ist, sehen wir auch darin, daß uns jetzt
häufig Säuglinge gebracht werden, die buchstäblich verhungert sind.” Auch
in der Gemeinde Höhscheid, wo seit vielen Jahrhunderten eine an Stahl
und Stein schaffende Bevölkerung tätig ist, ist eine durchgreifende Hilfe
dringend am Platze. In ihren Grenzen mögen etwa 1500 Lungen-
kranke leben. Viele davon sind zu retten, wenn sie im Anfangs-
stadium in einer Lungenheilstätte eine gründliche Kur durchmachen.
Wer wollte es verantworten, wenn man aus Mangel an Geld Hilfe
verweigern müßte und die Armen dahinsterben ließe, während man
selbst nichts von Mangel und Not weiß? Wem das Geben für Tuber-
kulose keine Freude macht, verdient wahrlich selbst keine gesunde Lunge.
Alle Arbeit in dem „Tuberkulose-Verein“ ist ehrenamtlich. Er erfor-
dert keinerlei Verwalungsunkosten [sic!], und der Verein legt bei seiner
Hilfeleistung nur den Maßstab der Bedürftigkeit an. Darum ist es
billig, daß sich bei den Sammlungen in den nächsten Tagen niemand
ausschließt, sondern daß ein jeder gibt, was er für seinen notleidenden
Mitmenschen nur immer entbehren kann. Wir sind überzeugt, daß, wenn
jeder seine Pflicht tut, alle heilbaren Wunden geheilt werden können
und die Höhscheider Einwohner und Kirmesbesucher eine Tat der
Nächstenliebe von den weittragendsten Folgen verrichten. Kommt!
Seht! Hört! Spendet freudig und reichlich! Was alles innerhalb
Höhscheids für die gute Sache geschieht, das wird durch Anzeigen be-
kannt gegeben.“
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Stadtarchiv Solingen: RK (27. Juli 2023). 27. Juli 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 15. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aekd