21. August 1923

Quelle: Stadtarchiv Kleve, B 14, Protokoll der Stadtverordnetensitzung vom 21. August 1923, S. 364-365

Aufgrund der rasanten Inflation und der Notlage der Bevölkerung versuchen viele Menschen verzweifelt, sich Lebensmittel zu verschaffen. Am 15. August 1923 kommt es zu Ausschreitungen und Plünderungen der Geschäfte in der Klever Innenstadt. Die Polizei muss einschreiten. In der daraufhin einberufenen Sitzung der Stadtverordneten werden Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensmittelversorgung beschlossen.

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                          Sitzung
                              der
dringlichen Stadtverordneten-Versammlung am Dienstag den
21. August 1923

      Gesetzmäßig zusammenberufen durch Einladungsschreiben vom
21. August 1923. (Die Einladung erfolgte wegen Dringlichkeit mit ab-
gekürzter Frist §38 der Städteverordnung.)
       Nach Eröffnung der Versammlung wurde in geheimer Sitzung
verhandelt was folgt:

      Nach Eröffnung der Sitzung teilt der Vorsitzende mit,
daß er die Stadtverordneten-Versammlung auf Grund eines Antrages
der Zentrumsfraktion mit der Tagesordnung
      Besprechung der Vorfälle vom 15. August 1923
zu einer dringlichen geheimen Sitzung eingeladen habe.
      Nachdem die Versammlung die Dringlichkeit beschloßen hat,
wird in die Verhandlung eingetreten.

      Der Vorsitzende gibt zunächst eine ausführliche Schilderung
über die Ereignisse der vergangenen Woche, insbesondere auch
über die von der Verwaltung ergriffenen Maßnahmen zur
Unterdrückung der Unruhen und stellt sodann den Punkt zur
Besprechung.
      Die sich anschliessende eingehende Erörterung zeitigt
folgendes Ergebnis:
      Die Stadtverwaltung soll für die Folge bemüht bleiben, zur
Verhütung ähnlicher Vorfälle rechtzeitig für eine Verstärkung bez[iehungs]w[eise]
Ergänzung der Polizeimannschaften auf rechtlicher Grundlage Sorge
zu tragen.
      Die Stadtverordneten-Versammlung erkennt an, daß die
von den in den Unruhetagen gebildeten Ausschüssen eingeleiteten
und durchgeführten Maßnahmen zur Heranschaffung von
billigen Lebensmitteln von Erfolg gekrönt waren und so eine
Hilfe für die Stadt in der Lebensmittelversorgung darstellten.
      Der Vorsitzende teilt hierzu mit, daß noch weitere verbilligte
Lebensmittel erwartet würden.
      Die Stadtverordneten-Versammlung gibt sodann dem Wun-
sche Ausdruck, daß für die Ausgabe der verbilligten Lebensmittel
für Minderbemittelte nicht das Kartensystem wieder eingeführt
werden möge, sondern daß die Verteilung an das Hospital, die
Münze, die evangelische Stiftung, das Walderholungsheim, ferner
durch charitative Vereine, das städtische Wohlfahrtsamt sowie die
Armenverwaltung zunächst an die wirklich Bedürftigen erfol-
gen möge.
      Der Vorsitzende sagt Prüfung zu und bittet die

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anwesenden Gewerkschaftler in gleichem Sinne in ihren Reihen
zu wirken.
      Aus der Mitte der Versammlung wird dem Vorsitzenden sodann
nahe gelegt, eine Erklärung des Inhalts abzugeben, daß er für die
Folge mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die wilden Exzesse
und Ausverkäufe in den Geschäften unterdrücken werde, daß er ferner
alles tun werde, die Ruhe und Ordnung in der Stadt Cleve auf-
recht zu erhalten und etwaigen Unruhen mit aller Schärfe ent-
gegen zu treten.
      Auf diese Weise könne viel zur Beruhigung der Bevölkerung
und Geschäftsleute beigetragen werden.
      Der Vorsitzende gibt sodann die gewünschten Erklärungen
ab und wendet sich gleichzeitig an die Geschäftsleute mit der
Bitte, auch ihrerseits alles zu unterlassen, was zur Beunruhigung
der Bevölkerung be[i]tragen könne.
      Einer weiteren Anregung aus der Versammlung, mit den
größeren Firmen in Verbindung zu treten, damit diese für ihre
Arbeiter und Angestellten für die nächsten 14 Tage selbst Kartoffeln
aus dem Ausland besorgten, verspricht Vorsitzender Folge zu geben.
      Bei dieser Gelegenheit wird aus der Mitte der Versamm-
lung mitgeteilt, das die Firma Gustav Hoffmann diesen Weg
schon beschritten habe.
      Sodann wird noch der Antrag gestellt, die Stadtverwaltung
möge über das Ergebnis der Sitzung der Presse zwecks Be-
ruhigung der Bevölkerung Mitteilung machen.
      Der Vorsitzende hat keine Bedenken, dem Antrage statt
zugeben.
      v[orgelesen] g[enehmigt und] u[nterschrieben]
      [Unterschriften]
      Schmidt                               A. Haarhaus
                                                       W. Lamers
                                                       E. Janssen


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Kleve (21. August 2023). 21. August 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 12. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/aeha


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