31. Juli 1923

Quelle: Stadtarchiv Kleve, B 14, Auszüge aus dem Protokoll der Stadtverordnetensitzung vom 31. Juli 1923, S. 357, 358, 360

Die Strom- und Lebensmittelversorgung der städtischen Bevölkerung Kleves wird zunehmend schwieriger. Die Stadtverordneten beschließen, zwischen 14 und 17 Uhr nachmittags die Gasversorgung auszusetzen. Aufgrund der Inflation werden erneut Gebühren erhöht, unter anderem die Preise zur Nutzung des Schwimmbades.

[357]

                                            Sitzung
      der Stadtverordneten am Dienstag, den 31. Juli 1923

      Gesetzmäßig zusammenberufen durch Einladungsschreiben vom
28. Juli 1923.
      Nach Eröffnung der Versammlung wurde in öffentlicher
Sitzung verhandelt was folgt:

                                    1. Mitteilungen:
      a) Verhaftung und Abführung des Stadtkassendirektors Döhmen
           Der Vorsitzende teilt die Verhaftung des Stadtkassendirektors
Döhmen durch die Besatzungsbehörde mit und erhebt Einspruch
dagegen.
[…]
       d) Gassperrzeiten
      Die Verwaltung macht auf die Schwierigkeiten bei der Kohlen-
beschaffung aufmerksam und auf die schwierige Lage, in der
das Gaswerk sich dadurch befinde.
      Es seien noch etwa für 4 Wochen Kohlenbestände da.
Die täglich sprunghaft fortschreitende Geldentwertung mache
aber den Ankauf von Kohlen fast unmöglich, insbesondere
deshalb, weil nur englische Kohlen erreichbar seien, die in
Gulden bezahlt werden müßten, deren Beschaffung aber außer-
ordentlich schwierig und mit großer[!] Kursverlusten verbunden ist.

[358]

      Es sei unbedingt notwendig, zur Streckung der Kohlenvor-
räte Gassperrzeiten einzuführen, die zunächst nachmittags von
2-5 Uhr festgesetzt worden seien.
      Die Stadtv[erordneten] Vers[ammlung] erklärt sich damit einverstanden.

      e) Lebensmittelversorgung
      Der Vorsitzende teilt mit, daß die Lage auf dem Lebensmittel-
markte wegen der Knappheit der Waren außerordentlich ernst
sei und daß alles getan werden müsse, um Unruhen zu ver-
meiden. Im Besonderen richtet er an die Clever Geschäftswelt
die Aufforderung, mitzuhelfen, damit das Schlimmste abgewendet
werde. Es sei unbedingt notwendig, daß die Lebensmittel-
geschäfte lange genug geöffnet würden, damit sich die Bevölkerung
mit den notwendigsten Lebensmitteln versehen können.
[…]

      3. Erhöhung von Gebühren und Beiträgen.
      a) Straßenreinigung, Müllabfuhr und Kanalgebühren.
      Die infolge der Geldentwertung außerordentlich gestiegenen
Löhne und Materialpreise erfordern eine weitere Erhöhung der
Gebühren. Die Stadtv[erordneten] Vers[ammlung] beschließt,
      a) die Gebühren für die Straßenreinigung,
      b) die Gebühren für die Hausmüllabfuhr,
      c) die Kanalgebühren
auf das 10 fache der am 1. April 1923 gültigen Sätze zu erhöhen.
[…]

[360]
      5. Erhöhung der Bäderpreise
      Infolge der weiter eingetretenen Geldentwertung ist
es notwendig, die Bäderpreise zu erhöhen.
      Die Stadtv[erordneten] Vers[ammlung] beschließt, die Bäderpreise wie
folgt festzusetzen:
Wannenbad I. Klasse 20.000 M[ar]k, II. Klasse 15.000 M[ar]k
Brausebad I.      “         10.000      “         , II.       “         8.000      “
      Aus der Mitte der Versammlung wird der Antrag
gestellt, die Preise für die Brausebäder für Kinder unter
14 Jahren zu ermäßigen und ebenfalls die in früheren
Jahren gegebenen Schülerbäder wieder einzuführen.
      Der Vorsitzende sagt Prüfung der Angelegenheit zu.

                     Geheime Sitzung
      a) Vor Eintritt in die Tagesordnung übermittelt der
Vorsitzende die Grüße des Bürgermeisters und Beigeordneter
Dr. van Ackeren die des Beigeordneten Baak an die
Stadtverordneten-Versammlung.
      b) Auf Wunsch der Versammlung wird nochmals
zu der Lebensmittelversorgung Stellung genommen. An die
Verwaltung wird die Frage gestellt, ob es sich nicht ermög-
lichen lasse, für die notwendigsten Lebensmittel Devisen
zu beschaffen und der Geschäftswelt zur Verfügung zu
stellen. Der Vorsitzende teilt hierzu mit, daß dieser Weg
schon deshalb nicht gangbar sei, weil die Stadt selbst
die notwendigsten Devisen zur Beschaffung der Kohlen für
das Gas und Wasserwerk nur in einem Bruchteile zur
Verfügung gestellt erhalte. Bei der weiteren Erörterung
der Lebensmittelfrage wird an die Verwaltung das Er-
suchen gerichtet, schon jetzt mit dem Kreise in Ver-
bindung zu treten, damit die unbedingt nowendigen
Mengen Kartoffeln und Getreide im Wege der freien Vereinbarung
sichergestellt werden. Der Vorsitzende sagt zu, das Weitere
in diesem Sinne zu veranlassen.
[…]


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Kleve (31. Juli 2023). 31. Juli 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 2. November 2024 von https://doi.org/10.58079/aeh9


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