4. Februar 1923

Quelle: Stadtarchiv Kleve, B 14, Auszug aus dem Protokoll der Stadtverordnetensitzung vom 4. Februar 1923, S. 290-291

Nachdem der vorletzte Beigeordnete Clemens Brohl verhaftet wurde und auch der nachrückende Karl Jäger mit einer Verhaftung rechnen muss – alle verweigern die Unterbringung belgischer Zollbeamter – werden fünf weitere Beigeordnete gewählt. Die Stadtverordneten beschließen erneut einen Protest gegen die Verhaftungen und rufen die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren.

[290]

                                      Sitzung
                                         der
dringlichen Stadtverordneten-Versammlung am
Sonntag, den 4. Februar 1923

      Gesetzmäßig zusammenberufen durch Einla-
dungsschreiben vom 3. Februar 1923 (die Einladung
erfolgte wegen Dringlichkeit mit abgekürzter Frist
§ 38 der Städteordnung)
      Nach Eröffnung der Versammlung wurde
in öffentlicher Sitzung verhandelt was folgt:

          I. Öffentliche Sitzung.
      Der Vorsitzende, Beigeordneter Jäger, teilte
mit, daß, nachdem die Stadtverordneten-Ver-
sammlung schon wiederholt habe zusammen-
kommen müssen, um gegen die Wegführung
der Leiter der städtischen Verwaltung zu
protestieren, sie heute wieder dazu ge-
zwungen seien. Heute handele es sich um den
ehrenamtlichen Beigeordneten Brohl, der, nach-
dem er auch seinerseits die Ausführungen
des Befehls, die belgischen Forst- und Zoll-
beamten unterzubringen, abgelehnt habe,
gestern nachmittag gegen 3 Uhr aus dem
Gewerkschaftshause abgeholt und mittels Autos
nach Crefeld gebracht worden sei. Auch Herr
Brohl habe in Ausübung seiner vaterlän-
dischen Pflicht nicht anders handeln können,
und auch ihm gebühre Dank und Anerkennung
für das von ihm gebrachte Opfer. Wie seine
beiden Vorgänger, die Beigeordneten Fleischhauer
und Brohl; so richte auch er – der Vorsitzende –
an die Bürgerschaft die ernste Mahnung,
Ruhe und Ordnung zu wahren. Er, die Stadt-
verordneten, sowie die gesamte Bürgerschaft
ständen fest zu ihrem Vaterlande.
      Stadtverordneter Haarhaus erhob im Auftra-
ge aller Parteien des Stadtverordneten-Kolle-
giums Protest gegen die zwangsweise Fortführung
des Beigeordneten Brohl. Es würden immer
weitere Opfer gefordert. Die Lage in Cleve
sei einzigartig in der Rheinprovinz; noch
keine Stadt im besetzten Gebiet sei in eine
derartige Lage versetzt worden. Er beantragt,

[291]
den nachstehenden Protest zu beschließen und
diesen der zuständigen Stelle zu übersenden:
      „Auch heute müssen wir wieder gegen eine
      rechtswidrige Verhaftung schärfsten Protest erhe-
      ben. Es handelt sich um die Verhaftung und
      gewaltsame Abführung unseres Mitgliedes Herrn
      Brohl, der als unbesoldeter ehrenamtlicher Beigeord-
      neter unserer Stadt gleich seinen Vorgängern im
      Amte das Opfer seiner Pflichttreue geworden
      ist. Wir sprechen Herrn Brohl höchste Anerkennung
      und unseren Dank für sein treudeutsches
      Verhalten aus.
      Der Beigeordnete. Die Stadtverordneten.“
      Danach teilt der Vorsitzende noch mit, daß
mit seiner Person die Liste der Beigeordneten
erschöpft sei und daß das Stadtverordneten-Kol-
legium 5 weitere Stadtverordnete zu Beigeordne-
ten gewählt habe, und zwar die Stadtverord-
neten Schmidt, Rheindorf, Dr. van Ackeren,
Haarhaus und Kalf. Sämtliche Stadtverordnete
hätten sich auf den Wahlvorschlag setzen lassen,
seine also bereit, falls es notwendig sei, nach-
zufolgen.
      Ferner teilte er mit, daß Bürgermeister
Dr. Wulff Stadtverordnete, Beamte und Bürger-
schaft grüßen lasse und übermittelte ferner
die Abschiedsgrüße des Beigeordneten Brohl. Zum
Schlusse betonte er, daß es gelte, das schwere Los
mit Würde zu ertragen. Die gesamten Verhandl-
lungen wurden von den Beteiligten stehend an-
gehört.

                      II. Geheime Sitzung.
      1.) Die Stadtverordneten van de Loo und Rheindorf
erstatten Bericht über die Besprechung mit dem
Vertreter des Regierungs-Präsidenten, Oberregie-
rungsrat Hoche in Düsseldorf. Daran schloß
sich eine eingehende Erörterung, wie sich Stadt-
verordnete und Beamte zu verhalten haben,
jeweils wie die Lage sich ändert und durch
weitere Zwangsmittel der Besatzung verschärft
wird.
[…]


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Kleve (4. Februar 2023). 4. Februar 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 16. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/aeh4


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