Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 3. März 1923
Anscheinend lehnt es die Solinger VSPD ab, an der bevorstehenden März-Gedenkfeier teilzunehmen.
Die VSPD. macht nicht mit!
Es sei wiederholt, was wir dieser Tage veröffentlichten:
„Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (Ortsausschuß So-
lingen) wird auch in diesem Jahre an den Gräbern der im Kapp-
Putsch Gefallenen eine Gedächtnisfeier veranstalten. Diese Feier
wird, wenn uns der Wettergott günstig gesinnt ist, am Sonntag,
den 18. März, nachmittags 4 Uhr, stattfinden. Besonders wird
noch darauf aufmerksam gemacht, daß in diesem Jahre 75 Jahre
seit jenen blutigen Revolutionstagen von 1848 verflossen sind. Der
Ortsausschuß ersucht deshalb alle Arbeitervereine, an diesem Tage
keine anderen Veranstaltungen zu treffen, damit sich die gesamte
organisierte Arbeiterschaft an der Gedächtnisfeier beteiligen kann.
Die Arbeiter-Gesangvereine haben bereits ihre Mitwirkung zu-
gesagt“.
Jeder ehrliche Revolutionär wird baß erstaunt sein über die
famose Antwort, die dem Ortsausschuß als Veranstalter der Feier
zuging seitens des Vorsitzenden der VSPD., Koch. Dieser
teilte nämlich mit, daß bereits drei Anträge vorlägen, die verlangten,
daß die VSPD. künftig mit den Kommunisten keine gemeinsamen
Veranstaltungen mehr mache. Eine diesbezügliche schriftliche
Erklärung liegt noch nicht vor, dürfte jedoch kaum noch lange auf
sich warten lassen, denn das Wort des Vorsitzenden gilt ebensoviel
wie die schriftliche Absage.
Aus diesem Vorgang können die sozialdemokratischen Arbeiter
und Angestellten wieder einmal recht deutlich ersehen, wohin die
VSPD. bereits gekommen ist. Was aber sagen dazu die ehemaligen
USPer, die doch glaubten, durch ihre Verbrüderung mit den SPDern
die sozialdemokratische Politik im revolutionären Sinne beeinflussen
zu können? Sehen sie denn immer noch nicht ein, daß sie nur dazu
dienen, die Mitgliederlisten zu füllen?
Trotz der Absage jedoch sind wir der Ueberzeugung, daß die
Märzfeier Solingens eine Massenbeteiligung aufweisen
wird, da die Solinger Arbeiterkchaft [sic!] ihren Stolz darein setzt, das revo-
lutionäre Banner von keiner Seite herunterholen zu lassen. Sie
hat keine Ursache, schamvoll auf die Kapp-Putschtage zurückzublicken,
und wird der braven Helden der Revolution stets in Ehren gedenken
— auch ohne Beteiligung kleinbürgerlicher Geister.
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Stadtarchiv Solingen (3. März 2023). 3. März 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 10. November 2024 von https://doi.org/10.58079/aefg