Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 30. Juli 1923

Kundgebung in der Solinger Stadthalle: Die Solinger Arbeiterschaft soll „mit aller Energie an die Organisierung des Widerstandes gegen die faszistische Gefahr“ gehen.

                            Solingen
       Die Aussprache in der Stadthallen-
               Versammlung zu Solingen
war eine ziemliche rege und auch anregende; sie stand auf
einem hohen Niveau und kann der gemeinsamen Sache der
Solinger Arbeiterschaft in ernstester Stunde nur förderlich sein.
       Als erster Diskussionsredner nahm Arbeitersekretär Gen[osse]
Wieden das Wort, indem er feststellte, daß der Besuch der
Versammlung zeigt, wie richtig der eingeschlagene Weg des
Aktionskomitees ist. Er begrüßt das Zusammenarbeiten der
VSPD. mit den anderen proletarischen Organisationen hier
am Ort und bedauert, daß der Berliner Parteivorstand und
der ADGB. dagegen sind. Die Aufdeckung zweier großer
Sprengstofflager in nächster Nähe zeigt blitzartig die un-
geheure Gefahr. Jetzt müssen alle Kräfte einheitlich
zusammengefaßt werden zur einmütigen Abwehr.
Hoffen wir, daß Solingen nicht allein bleibt.
       Gen. Uttermann, Solingen fordert die arbeitende
Jugend Solingens auf, gemeinsam mit den erwach-
senen Arbeitern die Abwehrfront zu bilden.
       Gen. Becker: Die Sozialdemokratie glaubt sich im Kampf
um die Erhaltung der Republik auf das demokratische Bürger-
tum stützen zu können. Das ist ein großer Irrtum. Die
Führer dieser Schicht sind die Großkapitalisten der Fertig-
industrie, die aufs engste mit der reaktionären Schwerindustrie
 – den Geldgebern der Faszisten – verbündet sind. Bei
einem Angriff der Faszisten wird diese Schicht sich auf die
Seite der Schwerindustrie schlagen und nicht – wie Herr Severing
glaubt – auf die Seite der Republikaner. (Beifall).
       Gen. Bestgen, Solingen: Der Genosse Merkel stellt sich
hinter den Aktionsausschuß, das freut mich. Wenn die Arbeiter
1918 keine Macht darstellen konnten, dann müssen wir das
Proletariat jetzt aufrütteln, daß es erklärt: Wir stellen
eine Macht dar! Aber wenn wir das wollen, warum
sind die Führer der VSPD. denn anderer Meinung? Heute
kommen diese Führer und erklären: Ihr dürft keine Macht
darstellen. Severing verbietet nicht nur die proletarischen
Hundertschaften, sondern auch den Anti-Faszistentag. Da-
durch wird dem Proletariat das Bewußtsein
seiner Macht geraubt. Das ist ein neues Verbrechen
an der Arbeiterklasse. Wir sagen diesen Leuten: „Hände weg
von der Einheitsfront, sonst seid ihr dasselbe, was die Fas-
zisten sind“. (Stürm[ischer] Beifall).
       Gen. Everts, Solingen: Wir fordern alle Arbeiter auf,
endlich in den bürgerlichen Sportvereinen mit den gesellschaft-
lichen Beziehungen zu ihren Klassenfeinden zu brechen.
       Gen. Oberdörster läßt darauf über die verlesene Resolution
abstimmen, die einstimmige Annahme findet. Er
fordert die Versammelten auf, die bürgerliche Presse aus ihren
Wohnungen zu entfernen. In die Arbeiterwohnung
gehört die Presse des Proletariats! Es muß
nunmehr mit aller Energie an die Organisierung des Wider-
standes gegen die faszistische Gefahr gegangen werden. Er
ruft den sozialdemokratischen Arbeitern zu: „Wir sind bereit,
den Weg zu gehen. Aber ihr müßt brechen mit der fluch-
würdigen Arbeitsgemeinschaft zwischen Kapital und Arbeit.
Stellen wir uns wieder auf den Boden des Klassenkampfes, so
werden wir alle Feinde besiegen.“
       Mit einem donnernden Hoch auf die internati-
onale Einheitsfront des revolutionären Pro-
letariats wurde die glänzend verlaufene Massenkundgebung
der Solinger Arbeiterschaft geschlossen.

Auflösung von Abkürzungen:

VSPD = Sozialdemokratische Partei Deutschlands
ADGB = Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund