Quelle: Stadtarchiv Solingen, Solinger Tageblatt 16. Juni 1923
Verschickung erholungsbedürftiger Kinder: „Die Kinder aus dem Landkreis Solingen fanden, wie seit einer Reihe von Jahren in Pommern liebevolle Aufnahme.“
Aus dem Landkreise Solingen.
Ueber die Entsendung kranker und schwächlicher Kinder
schreibt uns das Kreiswolfahrtsamt: Ganz Deutschland verfolgt mit
tiefer tätiger Anteilnahme das Schicksal der Bevölkerung im besetzten
Gebiet und ganz besonders das der Kinder. Ueberall im unbesetzten
Gebiet haben sich zahlreiche Familien bereit erklärt, die Kinder des
besetzten Gebietes unentgeltlich für die Sommermonate aufzunehmen.
Die Kinder aus dem Landkreis Solingen fanden, wie seit einer Reihe
von Jahren in Pommern liebevolle Aufnahme. Die schwächlichen und
kränklichen Kinder konnten in Kinderheimen in der Eifel, im Schwarz-
wald, und an der See untergebracht werden. Der größte Teil der bis
jetzt ausgesandten Kinder fand in Sachsen und zwar Dank der tätigen
Werbearbeit des Landbundes des Landkreises Weißenfels liebevolle
Aufnahme. Bis jetzt sind im ganzen rund 1200 Kinder in Landpflege
entsandt, davon allein 700 in den Landkreis Weißenfels. Die Kinder
fühlen sich durchweg wohl. Am Anfang flattert mancher Heimwehbrief
unsern Müttern ins Haus, aber meist dauert es nur einige Tage und
es folgen heitere, und nach kurzer Zeit wollen die Kinder alle länger
bleiben als vorgesehen. Die gute Butter spielt in allen Briefen eine
wichtige Rolle. Neben diesen erholungsbedürftigen Schulkindern
konnten ebenfalls durch Vermittlung des Landbundes eine Reihe
schulentlassener Knaben, die hier keine Arbeit finden oder deren
Körper für die Ergreifung eines Berufes noch nicht genug
gekräftigt ist, für mehrere Monate bei den Landwirten in Sachsen
Aufnahme finden. Auch diese Aufnahme ist unentgeltlich.
Die Kinder müssen dafür ihrem Körperzustande und ihrem Können
entsprechende Arbeiten verrichten. In Einzelfällen werden den Kindern
kleine Vergütungen dafür gezahlt. Die Eltern sind durch die Ver-
schickung der Kinder der Sorge und Aufsicht enthoben und können so
auch an ihre Erholung denken. Der schwächliche Körper des Kindes
kräftigt sich im Freien und wird fähig, den Anforderungen des späteren
Berufes gerecht zu werden. Alle Kinder werden von Zeit zu Zeit durch
Vertrauensleute, die das Kreiswohlfahrtsamt bestimmt, besucht. Mögen
auch noch andere Landesteile unseres deutschen Vaterlandes den Kindern
aus den besetzten Gebieten ihre Tore öffnen, auf daß unsere Kinder
stark werden in dem Gefühl, überall, wo Deutsche sind, eine Heimat
zu haben.
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Stadtarchiv Solingen: RK (16. Juni 2023). 16. Juni 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aebu