Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 12. Februar 1923
Immer daran denken!
Die 10 Gebote des Kommunisten!
1. Die Kommunistische Partei ist eine freiwillige, keine Zwangs-
organisation. Trotzdem muß in der Partei die strengste freiwillige
Disziplin gelten und an die Stelle des Kadavergehorsams der selbst
auferlegte Zwang treten, wenn wir fruchtbar arbeiten wollen und
unsere Organisation nicht zur Schwatzbude werden soll.
Ordnung, Pünktlichkeit, zuverlässige Ausführung von Aufträgen
unter Hintansetzung von persönlichen Unbequemlichkeiten ist Voraus-
setzung für eine erfolgreiche Arbeit.
2. Jeder Genosse soll ein ganz bestimmtes Arbeitsgebiet haben.
Es ist falsch, wenn zur Durchführung bestimmter Aufgaben immer
alle Genossen aufgefordert werden. Es kommt doch nur immer ein
Teil und eine Kontrolle ist dann erschwert. Anderseits ist es not-
wendig, daß jeder ein Teil Parteiarbeit mitmacht. Müßiggänger
kann es bei uns nicht geben, da sonst einzelne Genossen mit Arbeit
überlastet werden und sie dann nicht gut durchführen können.
3. Jeder Genosse soll möglichst nur eine Funktion haben. Lieber
ein Arbeitsgebiet ohne Funktionär, als ein Funktionär, der über-
haupt keiner ist, weil er mit anderen Arbeiten überlastet ist. Ist
dieser Grundsatz durchgeführt, hat niemand mehr eine Ausrede; dann
kann jeder Funktionär für die ihm übertragenen Arbeiten verant-
wortlich gemacht werden.
4. Verlaßt euch nicht auf andere. Es hat keinen Zweck, auf die
Inaktivität der anderen zu schimpfen und über mangelnde Unter-
stützung seitens anderer Funktionäre zu klagen. So sehr es manch-
mal berechtigt sein mag, so kommen wir nicht zum Ziel. Jeder suche
bei sich selbst die Schuld.
5. Immer erst das Wichtigste erledigen. Man kann nicht alles
auf einmal erledigen. Wir müssen uns auf das Wichtigste beschrän-
ken. Ueberlastung mit Arbeit führt zu nichts, auch nicht ein ein-
ziger Auftrag kann dann wirklich erledigt werden. Jeder Genosse,
ob Funktionär oder nicht, muß jeden Tag überlegen, was im Rah-
men seiner Arbeit das Wichtigste ist. Das muß erledigt werden.
Wo Entscheidendes vorgeht, muß ein Kommunist selbst dabei sein
und tätig eingreifen. Es sei denn, daß er ausdrücklich von der Partei
einen anderen Auftrag hat.
6. Ueberlegt euch dreimal, bevor ihr etwas beginnt. Ist es be-
gonnen, dann mit aller Energie ans Werk und durchgeführt bis ans
Ende. Gibt ein Genosse anderen Aufträge, so muß er bedenken, daß
es notwendig ist, zu kontrollieren, ob der Auftrag durchgeführt wird,
sonst reißt Lotterwirtschaft ein. Gebt Aufträge, besonders Adressen,
möglichst schriftlich, wenn auch nur in Stichworten.
7. Jeder Kommunist muß illegal arbeiten können. Es gibt gar
keine besondere, von der Partei getrennte illegale Organisation, aber
ein Kommunist muß jeden Augenblick bereit sein, illegal zu arbeiten
wenn es die Umstände erfordern. Dann gilt: Parteiadressen niemals
schriftlich oder nur chiffriert. Niemand etwas sagen, was er nicht
gerade zur Durchführung seiner Arbeit notwendig braucht. In nie-
mandes Gegenwart etwas sagen, wenn dieser zu seiner Arbeit nicht
dasselbe wissen muß. Man darf sich nicht darum kümmern, wenn
empfindliche Genossen sich dadurch beleidigt fühlen.
8. Bereitet gemeinsame Besprechungen gut vor. Unsere Zu-
sammenkünfte sind ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Die Vorbe-
reitung der Zusammenkunft obliegt dem Leiter. Schon bei der Ein-
berufung muß er sich überlegen, was er erledigen will und die Tages-
ordnung den Eingeladenen bekanntgeben. Er hat die Verantwortung
dafür, daß jeder Teilnehmer nicht mißmutig, sondern mit neuer Lust
und Liebe für seine schwere Arbeit von der Zusammenkunft geht.
9. Politische Debatten, müssen politisch geführt werden. Es
darf nicht sein, daß persönliche Unstimmigkeiten hineingetragen
werden. Die politische Diskussion muß die Grundlage schaffen für
die spätere organisatorische Kleinarbeit, ohne in organisatorische
Haarspaltereien auszuarten.
Ist die politische Grundlage geschaffen, dann haltet die Dis-
kussion über die organisatorische Kleinarbeit frei von politischen
Debatten. Nur dann wird sie ernst und gründlich vorgenommen.
10. Pünktlichkeit ist unbedingt erforderlich. Es wird unglaub-
lich viel guter Wille und Zeit durch dauernde Unpünktlichkeit ver-
geudet. Jeder Genosse muß Selbstzucht üben und persönliche Nach-
lässigkeit energisch unterdrücken.
Dies ist der Weg, den wir gehen müssen, wenn unser
Ziel, die Niederwerfung der Reaktion und der Sieg der Arbeiterklasse
einmal Wirklichkeit werden soll. Wir Arbeiter müssen uns unsere
Organisation selber bauen, mit der wir siegen wollen. Wir sind selbst
die Organisation. Sind wir unordentlich, unpünktlich, unzuverlässig
ist es auch unsere Organisation. Laßt euch nicht beirren durch noch
vorhandene Widerstände.
Weg mit allen Hindernissen! Unser Grundsatz ist:
Energie, Disziplin und Ausdauer!
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Stadtarchiv Solingen (12. Februar 2023). 12. Februar 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/aebf