30. Januar 1923

Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 30. Januar 1923

Der ADGB Solingen lehnt die „gemeinsame Nothilfe für die Ruhrarbeiter“ entschieden ab und fordert stattdessen Solidarität mit den ausgesperrten Formern und Gießereiarbeitern Solingens.

                      Entlarvt den „Notopfer“schwindel!
   Arbeiter, haltet die Taschen zu! — Helft euren Klassengenossen selber!
   Wenn in diesen Tagen auch das Solinger Unternehmer-
tum aufruft zur gemeinsamen Nothilfe für die
Ruhrarbeiter, so warnen wir die Arbeiterschaft vor
der Beteiligung an einer gemeinsamen Sammlung. Muß für
die Kollegen an der Ruhr etwas getan werden, so wartet die
Aufforderung eurer Gewerkschaften ab. Wir sehen es deut-
lich: Auf der einen Seite mutet man dem Ar-
beiter Lohnabzug zu, auf der anderen Seite will man
gemeinsame Sache mit ihm machen, um ihn zu chauvinistischen
Zwecken unter der Maske der Arbeiterfreundlichkeit auszu-
nutzen.
   Für uns gibt es keine Gemeinschaft mit
den Unternehmern!
   Für uns gibt es keine Beteiligung an der
Ruhrhilfe!
   Seit 6 Wochen stehen die Solinger Former im
schärfsten Abwehrkampf gegen eine Lohnkürzung, die
ihnen von seiten der Gießereibesitzer angeboten wurde. Da
dies in der jetzigen Zeit als Hohn betrachtet werden mußte,
wurde die Zumutung der Unternehmer abgelehnt, worauf als-
dann die Aussperrung erfolgte. In diesen Kampf sind nun die
Gießereihilfsarbeiter mit hineingerissen worden. Alle Versuche
der Unternehmer, die Arbeiter zu entzweien, sind bis jetzt an
dem einmütigen Willen der Kollegen gescheitert. Einig und ge-
schlossen wird der aufgezwungene Kampf von seiten der Kol-
legen fortgesetzt, um den Schlag des Unternehmertums ab-
zuwehren.
   Für uns gibt’s nur eins:
      Solidarität mit den Ausgesperrten.
   Wir rufen deshalb hiermit zur Solidarität für die ausge-
sperrten Former und Gießereihilfsarbeiter auf und fordern
von allen Arbeitern, diesen Kollegen in der heutigen schweren
Zeit beizustehen, damit dieselben durch Unternehmer-Willkür
nicht verhungern.
   Wir fordern weiter von Euch, überall den Lügennach-
richten, welche die Unternehmer in der bürgerlichen
Presse verbreiten, der Streik sei beendet, scharf entgegenzutreten
und die Arbeiter zu warnen, auf das Zuckerbrot hereinzu-
fallen, das die Unternehmer durch Inserate in den bürgerlichen
Blättern den Kollegen anbieten. Das Oeffnen der Betriebe, das
von den Unternehmern angekündigt ist, wird keinen Kollegen
verleiten, nun Streikbrecherdienste zu leisten. Auch bei diesem
Beginnen werden die Drahtzieher des Unternehmertums ihr
blaues Wunder erleben.
   Deshalb, Kollegen in den Betrieben, sowie der Heim-
industrie! Organisiert allenthalben Samm-
lungen! Laßt die 5—600 Kollegen nicht im Stich! Die
Streikunterstützung reicht allein nicht mehr aus. Weitere Mittel
sind notwendig. Wer rasch gibt, gibt doppelt: Zeichnet
mindestens einen Stundenlohn!
   Sammelisten[sic!] sind zu haben in unserem Büro, sowie beim
Deutschen Metallarbeiter-Verband.
                                   Ortsausschuß Solingen ADGB.
                                                     I[m] A[uftrag]: Rahm


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Stadtarchiv Solingen (30. Januar 2023). 30. Januar 1923. 1923: Alltag in der Krise. Abgerufen am 8. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/ae9v