Quelle: Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 27. Januar 1923

Milch erneut teurer

       Ein Liter Milch 470 Mk.?
   Vom städtischen Lebensmittelamt wird uns geschrieben: „Der
Erzeugermilchpreis ist im rheinischen Gebiet abermals erhöht wor-
den. Er stellt sich ab Station auf 350 Mark einschließlich Molkerei-
zuschlag. Infolgedessen fand gestern abend unter dem Vorsitze des
Beigeordneten Schaal eine Sitzung des Milchpreis-Ausschusses
statt. Eine Verständigung mit den Händlern kam jedoch nicht zu-
stande. Der Handel verlangt einen Kleinverkaufspreis von 470
Mark, während der Ausschuß einen Preis von 460 Mark für an-
gemessen hielt. Der Elberfelder Preis wird vom Polizeipräsidium
Elberfeld voraussichtlich auf 464 Mark festgesetzt. In Remscheid ist
die Festsetzung auf diesen Satz bereits erfolgt. In diesem Preise ist
in Elberfeld eine Abgabe von 5 Mark an die Verwaltung und in
Remscheid eine solche von 4 Mark enthalten, so daß dem Handel
noch 459 bezw. 460 Mark verbleiben. Der Ausschuß wird in eine
nähere Prüfung eintreten und die endgültige Preisfestsetzung am
Mittwochmorgen mit Wirkung vom 1. Februar ab
vornehmen. Bei dieser Gelegenheit wird noch darauf hingewiesen,
daß infolge der Ereignisse in letzter Zeit insbesondere in den letzten
Tagen die Milchkurswagen ausgeblieben sind. Es kann infolge-
dessen nur das Allernotwendigste ausgegeben werden. Nach Verein-
barung mit dem Milchhandel kann die Milch vom 1. Februar ab
nur noch auf Karten ausgegeben werden. Selbst in dringen-
den Fällen wird alsdann Milch ohne Karte nicht mehr ver-
abfolgt. Es wird daher angeraten, sich sofort Milchkarten vom Handel
ausstellen zu lassen.“
     Nicht genug damit, daß die Milch zum großen Teil verbuttert
und zurückgehalten wird, um höhere Gewinne herauszuschlagen.
Nun schraubt man den Milchpreis derartig hoch, daß die Säuglinge
und Kranken der schaffenden Bevölkerung elend umkommen müssen.
Zwar kam es in der gestern stattgefundenen Sitzung des hiesigen
Milchpreisausschusses noch zu keinem bestimmten Resultat, aber die
Erzeuger und Händler werden schon wissen, was sie zu tun haben.
Sie diktieren einfach — wie das heute so Mode — die Preise, und
will die geplagte Bevölkerung nicht direkt Hungers sterben, muß sie
eben bezahlen.
   Aber der Krug geht so lange zum Brunnen, bis
er bricht!